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21. Jahrhundert statt Kaisertechnik

26.10.17 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Es gibt im deutschen Eisenbahnnetz heute noch zum Teil eine Leittechnik, bei der jemand Flügelsignale mit Muskelkraft stellt und über riesige Hebel die Weichen in Stellung bringt. Und wir reden hier nicht von irgendwelchen Museumseisenbahnen, sondern von der Infrastruktur des dafür zuständigen Bundesunternehmens DB Netz. Es ist also in der Tat allerhöchste Eisenbahn, etwas zu tun. Und fast ein Vierteljahrhundert nach der Eisenbahnreform ist es auch keine akzeptable Ausrede mehr, das auf unterlassene Investitionen und die allgemeine Misswirtschaft der alten Behördenbahn zu schieben.

Das mag ja durchaus so sein, aber inzwischen ist ausreichend Zeit vergangen, um wirksam gegenzusteuern. Es ist einfach einem Hochleistungs- und Hochtechnologiestandort wie Deutschland unwürdig, wenn wir Stellwerke haben, die noch Kaiser Wilhelm hätte eröffnen können. Und einige von denen hätte auch Kaiser Wilhelm I. noch eröffnen können, der bis zum Dreikaiserjahr 1888 regiert hat.

Und dabei geht es nicht nur um die Leit- und Sicherungstechnik, sondern auch die Elektrifizierung muss vorangetrieben werden. Es ist ja ganz nett, wenn einige Aufgabenträger und Fahrzeughersteller den Einsatz von Triebzügen mit Wasserstoff statt Diesel wissenschaftlich begleiten und diese mal fahren lassen. Aber die Regel muss der Eisenbahnverkehr in elektrischer Traktion sein. Dass ein erheblicher Teil des Netzes keine Oberleitung hat, ist ein ebenfalls nicht akzeptabler Missstand und darauf hat die Allianz pro Schiene ja vor ein paar Wochen erst hingewiesen.

Nicht zum ersten mal, denn schon 2012 hat man als Ziel für die damals anstehende Wahlperiode ab 2013 ausgegeben, siebzig Prozent Elektrifizierungsgrad zu erlangen. Das ist nicht gelungen. Nach fünf Jahren sind wir in Deutschland keinen Schritt weiter und das stellt den letzten Bundesregierungen ein Armutszeugnis aus. Wobei: Hier ist nicht immer nur die Rede von Bundesregierungen, auch auf Landesebene sind die Akteure gefragt. Es ist wie VDV-Präsident Jürgen Fenske vor einigen Jahren so schön formuliert hat eine „gesamtstaatliche Aufgabe“.

Und manchmal können Landesregierungen und Aufgabenträger vor Ort bestimmte Dinge besser regeln. Natürlich muss die Zusammenarbeit mit DB Energie klappen, aber wenn so eine Oberleitung aus Landesgeld oder vielleicht sogar aus Regionalisierungsgeldern des Aufgabenträgers mitfinanziert wird, dann ist es womöglich gar nicht mehr so schwer, zu einem gewünschten Zielzeitraum eine Strecke zu elektrifizieren.

Auch für die Aufgabenträger kann sich die Umstellung auf elektrische Traktion bei den Kosten für den Zugkilometer relativ schnell lohnen. Es sind also alle gemeinsam gefragt, hier Lösungen zu finden. Das gilt in der neuen Legislaturperiode gerade auch für die Bundesländer: Diese müssen rauskommen aus ihren Verweigerungshaltungen und eigenes Engagement zeigen. Der Bund muss das belohnen: Ein Land, das Geld investiert, kriegt Bundesgelder dazu. Wer das nicht tut, kriegt auch nichts. Dann wird die Schiene für fürs 21. Jahrhundert!

Siehe auch: VDB fordert Innovationsprogramm
Foto: HPGruesen

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