UK: Debatte um Geschlechtertrennung
28.08.17 (Großbritannien & Irland, Verkehrspolitik) Autor:Max Yang
Alle Jahre wieder gibt es eine Debatte um die Einführung von ausgewiesenen Frauenabteilen in öffentlichen Verkehrsmitteln. Jüngst wurde diese Forderung durch den britischen Unterhaus-Abgeordneten Chris Williamson (Labour) wieder aufgenommen, nachdem sie bereits vor rund zwei Jahren bei der Kandidatur von Jeremy Corbyn für den Parteivorsitz thematisiert wurde. Anlass war die kürzliche Vorstellung polizeilicher Kriminalstatistiken.
Die britische Transportpolizei (BTP) vermeldete kürzlich einen Anstieg sexueller Übergriffe in Zügen. Im Geschäftsjahr 2016-17 wurden 1.448 Übergriffe bei der BTP zur Anzeige gebracht, was mehr als eine Verdoppelung im Vergleich zur Zahl von 2012-13 (650 Anzeigen) bedeutet. Unklar ist, welchen Anteil eine erhöhte Anzeigebereitschaft am Anstieg der Fallzahlen hat.
In Deutschland kam das Thema zuletzt nach den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht 2015/16 auf, in denen an Hauptbahnhof und Dom Frauen massenhaft insbesondere von männlichen Zuwanderern sexuell belästigt wurden. Im April 2016 erklärte Martin Husmann, Vorstandssprecher des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR), im Gespräch mit Zughalt: „Wir lehnen Geschlechterapartheid ab.“ Denn Sexualstraftäter ließen sich nicht von solchen Abteilkategorien abschrecken.
Auch in Großbritannien wird diskutiert, ob eine Geschlechtertrennung im öffentlichen Raum nicht den Grundwerten der Gesellschaft und insbesondere dem Ziel widerspreche, ein akzeptables Sicherheitsniveau im öffentlichen Raum für alle, einschließlich Frauen und Minderheiten, zu schaffen. Harsche Kritik kommt auch von Parteifreundin Jess Phillips, Abgeordnete für Birmingham. Überwachung und eine gesteigerte Anzeigebereitschaft, nicht Segregation, seien die wirksamen Instrumente.
Bestsellerautorin J. K. Rowling vermerkte sarkastisch auf Twitter: „Was hatte sie in einem gemischtgeschlechtlichen Wagen zu suchen? Sie wollte es doch.“ Ein Artikel im Lifestyle-Magazin „GQ“ vermerkt, dass Frauenbereiche in Dubai die Anzahl der Sexualstraftaten nicht vermindert hätten. Auch Mexiko, Japan und Indien lieferten keine Nachweise hierfür.
Andere Autoren wiederum merken an, dass ein Frauenabteil zumindest in Indien – wo Frauen in vielen Bereichen abends das Haus nicht mehr allein verließen – vielmehr eine befreiende Option sei. Dieser Gedankengang lässt sich natürlich nicht ohne Weiteres auf Großbritannien oder Europa übertragen.
Manuel Cortes, Generalsekretär der Gewerkschaft TSSA, erklärte zur anhaltenden Sicherheitsdebatte: „Eine zu jeder Zeit angemessen mit Personal ausgestattete Eisenbahn ist der einzige Weg, um für die Sicherheit der Reisenden zu sorgen. Unsere Eisenbahnen haben mehr Fahrgäste als je zuvor, allerdings wurde die Personalausstattung in ganz Großbritannien seit der Privatisierung zusammengestrichen.“ Die Gewerkschaft TSSA hofft auf eine Wiederverstaatlichung der Bahn, wie sie das aktuelle Labour-Parteiprogramm anstrebt.