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Österreichische Absurditäten

24.07.17 (Kommentar, Österreich, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Wir kennen die Parolen, die jetzt in Österreich geschwungen werden, alle auch aus Deutschland. Erinnert sei nur an die unmittelbar nach dem Abellio-Urteil forcierte Debatte um Direktvergaben. „Ausländische Staatsbahnen“ bieten zu „Dumpingpreisen“, sie zahlen natürlich alle „Dumpinglöhne“ während einzig und allein die (ehemalige) Staats- und Monopoleisenbahn auskömmliche Gehälter zahlt.

Und natürlich ist das auch der einzige Grund, wieso ebenjener Ex-Monopolist einen Teil seines einst bei hundert Prozent liegenden Marktanteils verloren hat: Die Privatkonzerne oder ausländischen Staatseisenbahnen haben ihre Geschäftsmodelle darauf ausgelegt, dass sie Armutslöhne zahlen und überhaupt… Zusammengefasst: Die Absurdität der Debatte in Österreich ist, gerade aus deutscher Sicht, wirklich bemerkenswert.

Es ist das erklärte politische Ziel von SPÖ und ÖGB, die eigene Staatseisenbahn dauerhaft zu protegieren und marktwirtschaftliche Strukturen auf der Schiene zu verhindern. Aber dann braucht man sich eben auch nicht zu wundern, wenn man keine Ausschreibungsersparnisse hat, mit denen man Leistungsausweitungen finanzieren kann.

Das ist übrigens auch so eine Sache, die in einigen deutschen Regionen noch in bester Erinnerung ist: Dass man vor etwa zehn Jahren regelmäßige Abbestellungen und Leistungskürzungen hatte. Spätzüge, die 2005 noch gefahren wurden, existierten 2009 häufig nicht mehr. Taktkürzungen bei S-Bahnen, früherer Betriebsschluss, späterer Betriebsbeginn oder Taktlücken mitten im laufenden Betriebstag. Dann bleibt so ein Zug eben mal stehen, wenn er nicht bestellt wird.

Erst die Ausschreibungserfolge der letzten Jahre haben dafür gesorgt, dass wieder mehr Eisenbahnleistungen gefahren und bestellt werden. Damit wächst die Grundlage für Arbeit und Beschäftigung. Behauptungen, es gäbe Dumping- oder Armutslöhne, sind nun wahrlich im Reich der Fabeln anzusiedeln. Im Gegenteil: Immer wieder hört man aus Gewerkschaftskreisen, dass im SPNV viele Wettbewerbsbahnen im Durchschnitt sogar mehr zahlen als DB Regio.

Und ob das Lohnniveau für Angestellte gemessen am Noch-immer-Branchenprimus nun bei 98 oder 103 Prozent liegt, mag zahlreiche Ursachen haben, mit Niedriglöhnen als unternehmenspolitische Philosophie hat das alles nichts zu tun. Allerdings hat die ÖBB natürlich auch überhaupt keinen Anreiz zur Restrukturierung.

Ähnlich wie die kommunalen Verkehrsunternehmen, wie es letzten Donnerstag an dieser Stelle thematisiert wurde, wird man zwar immer wieder sagen, man habe ja Unternehmensreformen hinter sich gebracht, aber was heißt das schon? Entscheidend ist einzig und allein die Frage, ob ein Unternehmen am Markt bestehen kann.

Bei DB Regio muss man heute feststellen: Ja, das geht. Die einstige Bundesbahn hat sich zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen transformiert, das das gesamte Spektrum rund um die Schiene abdeckt: Vom Einzel- bis zum Vollauftrag. Das kann auch die ÖBB werden, aber dazu braucht es offene Märkte. Das wird einigen Besitzstandswahrern nicht gefallen, aber manch Unangenehmes muss man dennoch tun.

Siehe auch: Österreich: Debatte um Eisenbahnpolitik

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