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DB Netz plant steigende Trassenentgelte

18.05.17 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Im derzeit laufenden Basisverfahren für die Trassenpreisperiode von 2019 bis 2023 will DB Netz insgesamt 557 Millionen Euro mehr von den Verkehrsunternehmen bekommen. Die Trassenpreise lägen dabei rund zehn Prozent höher als in der Preisperiode zwischen 2014 und 2016, und zwar trotz der extrem geringen Inflation im Euroraum.

Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE), die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und der Verband der Güterwagenhalter in Deutschland (VPI) sehen in dem Vorhaben einen erneuten unverantwortlichen Angriff auf den gesamten Eisenbahnverkehr. VPI-Geschäftsführer Jürgen Tuscher: „Dass die Schiene im Markt Anteile verloren hat, anstatt welche hinzu gewinnen zu können, ist vor allem auf steigende Trassen- und Energiekosten zurückzuführen.“

Wenn diese Entwicklung nicht gestoppt werden könne, gebe es keine Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene, dafür aber höhere Klimagasemissionen, mehr Unfälle und noch verstopftere Straßen. Tuscher: „Die Trassenpreise müssen runter und deswegen haben wir uns die Pläne der DB Netz AG kritisch angeschaut!“

Als Gegenreaktion sei ein schneller „Doppelschlag“ der Bundesregierung zur Senkung der Trassenpreise erforderlich: Berlin müsse kurzfristig die Trassenpreise halbieren und die Mechanismen überprüfen, die den Trassenpreis in die Höhe treiben. Im Auftrag von NEE, GDL und VPI haben Prof. Dr. Christian Böttger und Prof. Dr. Marita Balks von der HTW Berlin die Berechnung der Kapitalkosten untersucht.

Dabei ging es um die Frage, ob die von der DB Netz AG angewandten Methoden zur Ermittlung der gesetzlich zulässigen Verzinsung des eingesetzten Kapitals geeignet sind. Die Kapitalkosten werden bestimmt durch Zinsen für geliehenes Fremdkapital sowie den Gewinnanspruch des Eigentümers, der auch das investierte Eigenkapital einschließt.

Im Ergebnis, so Böttger in Berlin „sehen Frau Dr. Balks und ich nur Kapitalkosten von rund 270 Millionen Euro als gerechtfertigt an. Die DB Netz AG hingegen hat Kapitalkosten von 1,225 Milliarden Euro angesetzt. Diese erhöhen die Trassenpreise und müssen zusätzlich von den Eisenbahnverkehrsunternehmen erwirtschaftet werden. Solche Trassenpreise würden die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene, besonders im Güterverkehr, massiv beeinträchtigen.

Zunächst unterstellt die DB Netz AG einen Verzinsungsanspruch von 7,5 Prozent, obwohl die errechneten Kapitalkosten „nur“ 6,7 Prozent betragen. Differenz: 120 Millionen Euro pro Jahr. Die DB Netz verlangt Zinsen für zinslose Darlehen des Bundes. Differenz: 100 Millionen Euro pro Jahr. Dem Modell zufolge, das die DB AG zur Kapitalkostenberechnung verwendet (Capital Asset Pricing Model – CAPM), soll ein typischer, durchschnittlicher Steuersatz verwendet werden.

Die DB Netz AG nimmt einen Steuersatz von 30,5 Prozent an, obwohl sie in Deutschland (wie alle deutschen DB-Gesellschaften) seit Jahren nur rund zwei Prozent Ertragssteuern zahlt. Differenz: 230 Millionen Euro pro Jahr. Der Verzinsungsanspruch wird nach CAPM aus dem Risiko und der entsprechenden Zinserwartung vergleichbarer börsennotierter Unternehmen abgeleitet. Hier besteht ein Spielraum bei der Auswahl von Vergleichsunternehmen.

Tatsächlich gibt es jedoch kaum Unternehmen mit einem vergleichbar geringen Risiko. Eine angemessene engere Vergleichsgruppe ähnlicher Unternehmen ergibt in der CAPM-Logik einen deutlich geringeren Verzinsungsanspruch. Differenz: 300 Millionen Euro pro Jahr. Schließlich bezweifeln die Autoren, ob trotz der gesetzlich zulässigen „kapitalmarktüblichen Verzinsung“ CAPM überhaupt als Berechnungsmethode geeignet ist.

Würde man einfach annehmen, dass die DB Netz AG ihre Zinskosten ansetzen darf und das Eigenkapital des Bundes mit dessen Refinanzierungskosten angesetzt wird, ergäbe sich ein nochmals reduzierter Verzinsungsanspruch. Differenz: ca. 200 Millionen Euro pro Jahr. Der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky fordert jetzt vor allem die neue Bundestagsmehrheit, sich zum Beginn der neuen Legislaturperiode „unverzüglich“ mit den drängenden Aufgaben einer Weiterentwicklung der seiner Ansicht nach „missglückten“ Eisenbahnreform von 1994 beschäftigen müsse.

Weselsky: „Berlin muss reinen Tisch machen. Die unrealistischen und für den Schienenverkehr verheerenden Verzinsungsansprüche müssen aufgegeben werden. Die Bereitstellung einer funktions- und leistungsfähigen Infrastruktur ist wie bei allen Verkehrsmitteln eine staatliche Aufgabe.“

Siehe auch: Anreize für mehr statt weniger Verkehr schaffen

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