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Elektrifizierung vorantreiben

27.02.17 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

In der Vergangenheit wurde hier regelmäßig die Förderung unwirtschaftlicher Elektrobusse im Stadtverkehr kritisiert. Und das Geld, das dort für Erfolge aus dem Fenster geschmissen wird, die der normale technische Fortschritt im Bereich konventioneller Dieseltraktion macht, fehlt dann eben an anderer Stelle: Zum Beispiel bei der Elektrifizierung im Eisenbahnwesen, wo eine umfassende Offensive dringend notwendig ist.

Natürlich gibt es Staaten, die womöglich aus ihrer Ostblockvergangenheit noch schlechter dastehen als Deutschland. Aber Tatsache ist, dass im EU15-Bereich in West- und Mitteleuropa Deutschland zu den Schlusslichtern gehört. Das ist nicht akzeptabel und muss sich ändern. Es kann nicht sein, dass in Deutschland riesige SPNV-Netze in Dieseltraktion gefahren werden, nur weil die Bundes- und Landesfinanzminister das Geld lieber sparen würden.

Das hat übrigens auch etwas mit der Schuldenbremse und ausgeglichenen Haushalten zu tun: Natürlich ist es schön, wenn die öffentliche Hand ohne neue Schulden auskommt, aber ein mit unterlassenen Investitionen erkaufter ausgeglichener Haushalt ist eben auch nicht erstrebenswert. Im Gegenteil, stellen wir mal einen Vergleich an: Ein Unternehmen, in dem zwanzig Jahre nicht investiert wird, mag schuldenfrei sein. Es ist trotzdem wertlos und muss entweder abgewickelt werden oder benötigt erhebliche Investitionen.

So kann man die Sache in öffentlichen Haushalten auch verstehen. Denn die unterlassenen Investitionen sind ja nichts anderes als unrealisierte Staatsschulden. Wobei man sich hier durchaus die Frage stellen muss, ob die Länder bzw. einige Aufgabenträger mit der dogmatischen Haltung „Infrastruktur ist Bundessache“ immer so richtig liegen. Denn wenn sich die Kosten für die Elektrifizierung einiger Strecken in überschaubaren Zeiträumen amortisieren, dann sollte sich der eine oder andere Besteller schon fragen, ob es nicht sinnvoll wäre, hier selbst die Investitionsfinanzierung über eine Förderung sicherzustellen anstatt zu warten, bis der Bund bzw. das Bundesunternehmen DB Energie von sich aus tätig werden.

Das gilt umso mehr, weil immer wieder Situationen entstehen, bei denen Dieselnetze nur für kurze Zeiträume vergeben werden – und das immer wieder – weil man nicht weiß, wann denn die versprochene Oberleitung endlich kommt. Es ist daher eine ernsthafte Überlegung wert, ab wann man die an anderer Stelle oft postulierten unbürokratischen Lösungen nicht hier einmal anwenden sollte. Das soll den Bund nicht aus seiner Pflicht entlassen, dafür zu sorgen, dass Deutschland eine Eisenbahninfrastruktur hat, die einem reichen Industriestaat in Mitteleuropa gerecht wird.

Es ist doch niemandem zu vermitteln, wenn man einerseits die Verkehrsemissionen senken will, aber an anderer Stelle Dieselloks fahren müssen, weil es keine Oberleitung gibt. Noch grotesker wird es dann, wenn zum Teil – und das gerade im Güterverkehr – oft über weite Strecken unter Draht gedieselt wird, weil man auf kurzen Abschnitten keine Oberleitungen hat. Wenn die Schweizer in ihrem Alpenstaat das ganze Netz elektrifizieren können, dann kann Deutschland zumindest in diese Richtung gehen.

Siehe auch: Allianz pro Schiene fordert Elektrifizierungsprogramm

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