Loslimitierung statt Tarifeinheitsgesetz
30.01.17 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Man muss kein Freund der GDL sein und die Streiks, die diese Gewerkschaft bei der DB AG immer wieder organisiert hat, sind sicherlich für viele betroffene Fahrgäste ausgesprochen ärgerlich. Auf der anderen Seite muss man das auch ins Verhältnis zu dem setzen, was die großen DGB-Gewerkschaften regelmäßig veranstalten. Ich erinnere nur daran, dass man in Hessen jüngst mehrere Wochen im ÖPNV durchgestreikt hat.
Im Jahr 2015, als der politische Entschluss zum Tarifeinheitsgesetz fiel, hatte Nordrhein-Westfalen insgesamt 72 Stunden Warnstreik im ÖPNV durch Verdi. Warnstreiks dauern im Eisenbahnwesen, falls es sie überhaupt gibt, maximal ein paar Stunden. Und wenn Streiks so eskalieren, wie das in den vergangenen Jahren immer wieder zwischen DB AG und GDL passiert ist, dann liegt das sehr wahrscheinlich nicht an nur einer guten und einer bösen Konfliktpartei; nicht an dem einen, der jedes denkbare Entgegenkommen zeigt und am anderen, der bis zuletzt auf seinen Maximalforderungen beharrt.
Bahn und GDL werden sich auch in Zukunft einigen müssen – so wie die GDL es ja auch immer wieder bei Eisenbahnen außerhalb des Konzerns schafft. Wobei das vielleicht das richtige Stichwort ist. Längere GDL-Streiks waren in ihrer Wirkung immer dann relativ gut lösbar, wenn man mehrere Betreiber in einer Region hatte. In Berlin wurde DB Regio bestreikt, aber die ODEG drehte fleißig ihre Runden. In der Stadt Wuppertal ist DB Regio nicht gefahren, aber die Eurobahn und Abellio haben ihre Runden ebenso gedreht wie die größtenteils parallel laufende Schwebebahn der Stadtwerke.
Statt sich eines Gesetzes zu bedienen, das möglicherweise verfassungswidrig ist und darüber hinaus vielleicht von der nächsten Bundesregierung gekippt werden könnte, sollten gerade die Aufgabenträger im gemeinwirtschaftlichen Regionalverkehr ihre Schlüsse ziehen und mit Loslimitierungen in künftigen Vergabeverfahren sicherstellen, dass man eine breite Betreibervielfalt hat. Wenn es hier juristische Probleme gibt, wäre das in der Tat ein Betätigungsfeld für die nächste Bundesregierung, politisch gegenzusteuern und den Aufgabenträgern expressis verbis solche Dinge zu erlauben.
Dabei ist es nicht gesagt, dass nur das eine oder nur das andere Unternehmen in zum Teil erhebliche Probleme kommt. Erinnert sei zum einen an die Krise der Berliner S-Bahn, die für alle beteiligten Akteure völlig inakzeptabel war. Aber auch aktuell hat man mit der Eurobahn in Nordrhein-Westfalen ein Unternehmen, das mit dem Begriff „Underperformer“ noch sehr schmeichelhaft umschrieben ist.
Und um bei dem Beispiel zu bleiben: Es ist im Interesse aller sehr gut, dass zwischen Wuppertal und Hamm parallel zur Eurobahn National Express fährt und sicherstellt, dass zumindest ein Grundverkehr stattfindet, wenn die Eurobahn mal wieder ausfällt, weil man keine Lokführer hat oder warum auch immer. Wenn es also als Streiks und anderen Problemen eine politische Konsequenz gibt, dann heißt sie nicht Tarifeinheitsgesetz. Eine marktwirtschaftliche Betreibervielfalt sorgt dafür, dass ein Schlechtleister nicht alles kaputtmachen kann.
Siehe auch: Verhandlung zum Tarifeinheitsgesetz