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Gut gemeint, aber …

14.11.16 (Kommentar, Nordrhein-Westfalen) Autor:Stefan Hennigfeld

Nach dem Tod von Dominik Brunner wird sich jeder dreimal überlegen, ob er die Polizei ruft oder lieber demonstrativ aus dem Fenster guckt. Gerade in Zügen, in denen die Mobilfunkanbindung oft desolat ist. Einmal die 110 angerufen, die Leitung ist weg. Eine Minute später ist wieder Netz da, aber man landet bei einer anderen Polizei in der Nachbarstadt und für die Züge und Bahnhöfe ist ohnehin die Bundespolizei verantwortlich.

Natürlich gibt es Notrufsäulen in moderneren Zügen und in zahlreichen Bahnhöfen, aber wenn diese aktiviert werden, fangen sie zunächst wie wild an zu blinken und zu pfeifen. Einen dezenten Alarm auszulösen ist nicht möglich. Auch dann nicht, wenn Zeugen gerne Hilfe rufen möchten, aber fürchten müssen, in solch einem Fall selbst Opfer von Gewalt und Aggression zu werden. Aber das ist ja noch nicht alles. Vor einigen Wochen wurden im Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags zur Kölner Silvesternacht Mitschnitte von Polizeinotrufen vorgespielt.

Frauen, umringt von mehreren Verbrechern rufen die Polizei und sagen auch, dass deren Kollegen daneben stehen und nichts machen. Sie wurden mit einem „Vielen Dank, dann wissen wir Bescheid“ abgewimmelt. In einem anderen Fall wandten sich Opfer an einen Polizisten, der immer zur anderen Rheinseite guckte und es nicht für nötig hielt, sich zumindest zum Ort des Geschehens zu drehen. Natürlich kann man jetzt sagen, dass diese Kölner Silvesternacht ein einmaliges Staatsversagen war, das mit dem Alltag in öffentlichen Verkehrsmitteln nichts zu tun hat. Ich würde so einer Aussage widersprechen wollen, aber sei´s drum!

Nach fast einem Jahr ist man aber kein Stück weiter. Sicherheitskonzepte werden mit politischen Mitteln torpediert, wo es nur geht. Und wo bleiben die Ankündigungen einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Polizeien, Ordnungsämtern und den Verkehrsunternehmen im Alltag? Noch immer kann in Nordrhein-Westfalen jeder Dorfschultze sein eigenes Ding machen, weil man den Rheinbahnen, EVAGs, KVBs und Stadtwerken dieser Welt angeblich nicht zumuten kann, sich an verbundweiten Sicherheitskonzepten mit rollierenden Einsatzplänen zu beteiligen.

Wobei an einigen Orten erkennbar mehr Polizeipräsenz vorhanden ist, das ist durchaus zu begrüßen. Die Kölner Domplatte ist inzwischen voll von Polizisten, aber seien wir ehrlich: Das ist nach der Silvesternacht auch selbstverständlich. Gerade eben weil es ein Ort ist, an dem man seit Jahren weiß, dass er ein Tummelplatz für organisierte Bandenkriminalität ist. Aber die Leute müssen im Zweifel auch dann in der Lage sein, Präsenz zu zeigen, wenn an anderer Stelle Probleme auftreten.

Nordrhein-Westfalen braucht in öffentlichen Verkehrsmitteln aber auch weit darüber hinaus ein ganzheitliches, funktionierendes Sicherheitskonzept. So gut gemeint eine Kampagne wie „Du hast immer eine Wahl“ ja sein mag, aber das entbindet auch die ÖV-Branche, die Verkehrsunternehmen und -verbünde nicht von ihrer Pflicht, sich an modernen Sicherheitskonzepten zu beteiligen. Tue erst gutes, darüber sprechen kannst Du später noch.

Siehe auch: NRW startet Kampagne für Zivilcourage

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