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Erfolg kennt keine Ideologie

31.10.16 (Hessen, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Ob beim Karlsruher Modell, bei der Düsseldorfer Regiobahn, einzelnen Strecken der Nordwestbahn in Niedersachsen oder auch die Erfolge der Erfurter Bahn im Freistaat Thüringen: Sie alle zeigen, dass der Verkehrsträger Schiene ein deutlich größeres Potential hat, als oft angenommen wird. So auch in Nordhessen. Die Idee, dass man eine große Stadt – ob Kassel, Karlsruhe oder Chemnitz – über eine Kombination aus Tram bzw. moderner Stadtbahn und SPNV mit den mittleren Städten im Umland verbindet, ist überall von Erfolg gekrönt.

Man hat natürlich immer irgendwelche Bedenkenträger und Eisenbahner, die einem genau erklären können, warum irgendeine Planung nicht funktioniert oder – und das ist die Steigerung – gar nicht funktionieren kann. Dieter Ludwig, der Erfinder des Karlsruher Modells, sagte einst in einem Fernsehbericht, dass die Mitarbeiter der Bundesbahn (die es damals wirklich noch gab) ihm für jede Lösung prompt ein neues Problem präsentiert haben.

Wahrscheinlich ist das auch heute noch ein Problem im Eisenbahnwesen, denn die Mentalität der alten Bundesbahn wird man so schnell nicht los: Es muss künftig um die Frage gehen, was man schaffen und verbessern kann. Wie kriege ich Menschen dazu, ihr Auto stehen zu lassen und auf die Schiene zu wechseln? Wer aus Vellmar nach Kassel pendelt und vor der Haustür die Straßenbahn hat, der ist eher bereit, das Auto stehen zu lassen, als wenn man mit einem einmal die Stunde fahrenden Zug in die Stadt kommt und da womöglich noch schlechte Anschlüsse an den Stadtverkehr hat.

Denn während man in Villariba schon Erfolge mit kombinierten Modellen feiert, wird in Villabajo noch darüber diskutiert, ob es einem Bürgermeister einer Mittelstadt wirklich zuzumuten ist, seinen Busstern nach dem ÖPNV auszurichten. Auch das ist eines der Probleme, bei denen man nicht mehr – wie in der Branche üblich – von einem Finanzierungsproblem, sondern von einem Mentalitätsproblem sprechen muss. Das hat man bei einigen sehr erfolgreichen Modellen überwunden und ist dabei zu Ergebnissen gekommen, die eine wirkliche Verkehrsverlagerung mit sich gebracht haben.

Das gilt in jeglicher Hinsicht: In Großstädten hat es sich rumgesprochen, dass Fahrzeuge in der Regel bis zu 23 Stunden am Tag Stehzeuge sind und mit attraktiven Carsharing-Angeboten, die ohne große Zugangshürden auskommen, werden ideologische Gräben zwischen ÖPNV und Auto zugeschüttet. Ich kann mit der Straßenbahn zur Arbeit fahren, aber trotzdem ab und zu ein Auto zur Kurzzeitmiete in Anspruch nehmen, um schwere Getränkekästen nach Hause zu bringen – mit öffentlichen Verkehrsmitteln klappt das erfahrungsgemäß nicht so gut.

Aber was macht man auf dem Land? Auch hier hat man sich im Norden Hessens etwas einfallen lassen und versucht mit einem Projekt wie Mobilfalt Mitfahrgelegenheiten in den Verkehrsverbund zu integrieren. Das mag vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss sein, aber es zeigt, dass man mit Offenheit und Kreativität an die Dinge herangeht. Es geht nicht um die Frage, warum etwas nicht klappt, sondern wie man Probleme lösen kann. Das ist ein ganz großes Vorbild!

Siehe auch: Mehrere Feiergründe im NVV

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