Deutschlandtakt am Tag und in der Nacht sicherstellen
13.10.16 (Fernverkehr, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Bei der Debatte um Nachtzüge setzt sich eine Erkenntnis fort, die man eigentlich schon längst haben könnte, würde man die Entwicklungen im SPFV seriös beobachten: Eisenbahnleistungen sind in der Regel nicht allein mit den Fahrgelderträgen auskömmlich fahrbar. Ja, in den 70er Jahren hat der neue InterCity das Gesamtdefizit der alten Behördenbahn um rund 500 Millionen D-Mark im Jahr gesenkt. Das bedeutet aber nicht für die Zukunft, dass sich ein deutschlandweiter SPFV-Taktverkehr inklusive sehr teurer Nachtzüge dauerhaft allein am Markt finanzieren lassen.
Am InterRegio hat man es ebenso gesehen wie am langjährigen Siechtum des InterCity. Auch das einst von den Ländern im Bundesrat beschlossene Fernverkehrssicherungsgesetz war von diesem Eindruck geprägt: Es braucht öffentliche Zuschüsse, sonst bleibt der Fernverkehr ein Flickenteppich. Zur Erinnerung: Der Bund hätte auch bei einer privatisierten und nur noch ihrem Gewinn verpflichteten DB AG dafür sorgen müssen, dass die SPFV-Zugkilometerzahl des Jahres 2007 nicht mehr unterschritten werden darf und dass jedes Oberzentrum mit Gleisanschluss einen Rechtsanspruch auf sechs Fernverkehrszugpaare am Tag gehabt hätte.
Nun mag man sagen, das sei kalter Kaffee, aber bei allem was recht ist: Die Problematik setzt sich doch bis heute fort, ob im Nachtzugbereich oder auch im Tagesangebot. Daran ändert auch das neue Fernverkehrskonzept der Deutschen Bahn nichts; letztlich ist das nichts anderes als der Versuch, möglichst viele RE-Leistungen als InterCity zu labeln und sich mehrere Jahre nach dem Abellio-Urteil einen neuen Direktvergabemarkt zu schaffen.
Selbst wenn zunächst kein Geld fließt und man den InterCity einfach so betreibt, dürfte es eine Frage der Zeit sein, bis dieser unwirtschaftlich wird und daher leider eingestellt werden muss. Dann fordert man Geld vom Aufgabenträger oder der schöne InterCity ist wieder weg. Man sieht ja auch beim neuen Nachtzugmodell, dass es zwar wieder einzelne Verbindungen gibt, aber ein umfassendes Netz, das dafür sorgt, dass man irgendwo abends ein- und woanders morgens wieder aussteigen kann, das wird es nicht wieder geben – und zwar aus genau den genannten Gründen.
Es ist umso bedauerlicher, dass all die, die üblicherweise für mehr Eisenbahnverkehr trommeln, sich dieser Erkenntnis verweigern: Ob die Gewerkschaften, die verschiedenen Fahrgastverbände oder auch die Allianz pro Schiene: Niemand spricht aus, dass es öffentlich bezuschussten (und entsprechend ausgeschriebenen) Fernverkehr braucht, um ein deutschlandweites Netz zu realisieren. Auch die Initiative Deutschlandtakt kommt aus eben diesen Gründen seit einigen Jahren nicht mehr weiter.
Dabei muss man genau das formulieren. Im übrigen steht weder im Grundgesetz noch im Deutsche-Bahn-Gründungsgesetz etwas von eigenwirtschaftlichem Fernverkehr. Im Gegenteil: Der zuständige Artikel 87e sieht expressis verbis den Bund in der Pflicht und fordert, dass ein Bundesgesetz das nähere regelt. Hier ist politischer Nachholbedarf. Solange das nicht gelöst wird, bleibt es bei Scheinlösungen ohne langfristige Erfolge.
Siehe auch: DB und ÖBB fahren Nachtzug-Verbindungen