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NRW plant ÖPNVG-Novelle

29.09.16 (Nordrhein-Westfalen, Verkehrspolitik, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen möchte das ÖPNV-Gesetz ändern. Der 1996 mit der Eisenbahnreform eingeleitete Prozess der Regionalisierung bis hin zur Schaffung der Kooperationsräume in ihrer heutigen Struktur soll dahingehend umgestaltet werden, dass die Landesregierung künftig mehr Einfluss auf die Aufgabenträger hat. Diese sind kommunale Zweckverbände, die von den Kreisen oder kreisfreien Städten getragen werden. Der Gesetzesentwurf steht dem jetzigen Modell in vielen Punkten diametral entgegen.

Nicht neu, sondern schon seit einigen Jahren üblich ist die Existenz eines RE-Kernnetzes im besonderen Landesinteresse. Das soll sicherstellen, dass es zumindest innerhalb Nordrhein-Westfalens keine Bruchstellen an den Grenzen der Aufgabenträger gibt. Zwar enden RE-Linien vielfach an der Landesgrenze, etwa in Minden oder Siegen, jedoch will man ein in sich geschlossenes System als Regionalexpress-Linien festschreiben. Die Einflüsse der Landesregierung sind eingeschränkt.

Im Wesentlichen kann die Landesregierung eingreifen und auf eine Einigung hinwirken, wenn die Aufgabenträger das nicht schaffen und ansonsten die Gefahr droht, dass eine RE-Linie an der Verbundgrenze gebrochen wird. In Zukunft soll sich das ändern: Die vorgesehenen Entscheidungsrechte des Ministeriums bei Nichteinigung unter den Zweckverbänden soll deutlich über das hinausgehen, was in dem Abschlussbericht für die Zukunftskommission für den ÖPNV vorgeschlagen wurde.

Das vorgesehene, in der Sache unbeschränkte Zweckmäßigkeitsweisungsrecht des Verkehrsministeriums beim SPNV-Netz mit besonderem Landesinteresse sorgt nach Auffassung des größten Aufgabenträgers VRR dazu, dass faktisch ein Teil der Verkehrshoheit direkt nach Düsseldorf abgegeben wird. In einer Stellungnahme heißt es: „Vor dem Hintergrund, dass in dem aktuellen Gesetzgebungsverfahren seitens der Landesregierung betont wird, dass sich das ÖPNVG NRW und insbesondere die kommunalen Aufgabenträgerschaft grundsätzlich bewährt haben, erscheint es umso unverständlicher, warum die Landesregierung die bestehenden Organisationsstrukturen nunmehr umfassend ändern möchte. Der Gesetzentwurf enthält gravierende Einschnitte in die bisherige Organisation und Ausgestaltung des SPNV in NRW. Die erfolgreiche Arbeit der SPNV-Aufgabenträger wird durch die geplanten Änderungen im ÖPNVG NRW konterkariert. Hinzu kommt, dass der Gesetzentwurf auf der einen Seite erhebliche Entscheidungs- und Weisungsrechte des Landes zu Lasten der Kooperationsräume beinhaltet, eine adäquate Regelung für den Ausgleich von Mehrbelastungen aber nicht aufgenommen wurde.“

Je höher der politische Einfluss, so zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre, desto größer auch die Unsicherheiten. Das gilt nicht nur in Nordrhein-Westfalen. Nach der Vergabeentscheidung des Dieselnetzes Südwest z.B. wollte die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) das Angebot von Netinera DB Regio zeigen und fragen, ob man dort bereit sei, für den gleichen Preis zu fahren. Im Zusammenhang mit der Vergabe der S-Bahn Nürnberg an National Express hat man bei der bayerischen SPD schwere Kritik geäußert. Es könne nicht sein, dass gewinnorientierte Unternehmen Eisenbahnleistungen fahren und wenn die BEG als Aufgabenträger das nicht einsehe, müsse sie eben abgeschafft werden.

Ungemach droht auch zwischen Rhein und Weser: Die Landesregierung plant, dass nicht mehr die Aufgabenträger, sondern die Landesregierung definiert, welche SPNV-Leistungen im besonderen Landesinteresse liegen. Somit droht ein ähnlicher Zustand wie in Berlin, wo der VBB zwar der Aufgabenträger ist, aber nur eine Stelle die politische Entscheidungen des Senats umsetzt, ohne diese selbst gestalten zu können.

Auch hierzu äußert man sich beim VRR sehr kritisch: „Die Kooperationsräume nehmen die Aufgaben der Koordination und Gewährleistung des SPNV wahr, verfügen über eine hohe technische, planerische und wirtschaftliche Fachkompetenz und sind zudem juristisch und finanziell für den SPNV verantwortlich. Vor diesem Hintergrund ist es nicht einzusehen, den Zweckverbänden kein verbindliches Mitspracherecht bei der Definition des SPNV-Netzes im besonderen Landesinteresse einzuräumen. Die bestehende gesetzliche Regelung zur Festlegung des SPNV-Netzes im besonderen Landesinteresse hat sich bewährt und die geplante Streichung des Einvernehmens mit den Zweckverbänden ist abzulehnen.“

Siehe auch: Autonome Aufgabenträger bewahren

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