Aus der Lethargie befreien
01.09.16 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Natürlich ist die Nutzerzufriedenheit nicht irrelevant. Beim VDV kann man das viel besser formulieren, obwohl genau das gemeint ist. „Eine Befragung zur Zufriedenheit der Nutzer ist zwar grundsätzlich ein wichtiger Gradmesser zur Beurteilung der Beziehungen zwischen Fahrgästen und Verkehrsunternehmen. Zur Bemessung der Laufzeit öffentlicher Dienstleistungsaufträge ist eine Kundenzufriedenheitsanalyse aber wenig geeignet.“ So heißt es in einer Stellungnahme zu den Guidelines der VO 1370/07 vom 18. Oktober 2012, unterschrieben vom inzwischen verstorbenen Geschäftsführer Reiner Metz.
In einer Marktwirtschaft ist es aber selbstverständlich, dass man mit seinem Geschäft Probleme bekommt, wenn die Kundschaft unzufrieden ist. Nun muss man zwei Dinge sagen: Zum einen sind die Kunden der Verkehrsunternehmen eben gerade nicht die Fahrgäste, sondern die Aufgabenträger. Das Eisenbahn- und ÖV-Wesen in der heutigen Zeit ist eine reine B2B-Branche, in der der Nutzer abseits steht. Zum anderen gibt es in dem Sinne auch keine Konkurrenz, allenfalls das Auto. Angesichts des zumindest bundesweit im Durchschnitt extrem schlechten Modal Split muss man aber davon ausgehen, dass zumindest ein nicht geringer Teil außerstande ist, ab morgen einfach mit dem Auto zu fahren.
Entsprechend haben sich die Unternehmensentwicklungen vieler Verkehrsunternehmen auch bereits positioniert. So heißt es bei den Berliner Verkehrsbetrieben etwa, dass man mit der wachsenden Zahl an Captive Ridern in den kommenden Jahren zufrieden sei. Auch wenn die BVG AöR zweifelsohne nicht nur wegen ihrer Spielschulden einer der Tiefpunkte im deutschen ÖV-Wesen ist, so steht es ein Stück weit auch symbolisch dafür, dass der Schwung und der Elan, den man in den Anfangsjahren der Eisenbahnreform hatte, verflogen sind.
Zum einen, weil man zwar die alte Bundesbahn zurecht abgeschafft hat, im kommunalen Bereich aber die Monopolisten und Platzhirsche mit protektionistischen Mitteln geschützt wurden. Zum anderen, weil es in Deutschland insgesamt an Aufbruchstimmung fehlt. Der Slogan „Keine Experimente“ hat bereits bei Konrad Adenauer funktioniert und tut es jetzt immer noch – und diese gesellschaftliche Grundstimmung schlägt sich natürlich auch auf die staatsaffine Wirtschaft wie den ÖPNV durch. Dabei braucht man insgesamt wieder mehr marktwirtschaftliche Strukturen in diesem Bereich. Man braucht Aufgabenträger, die ihre Pflichten zum Controlling erfüllen, ob im kommunalen Bereich oder auf der Schiene.
Und gerade bei kommunalen Eigenbetrieben ist die Gebietskörperschaft als Aufgabenträger in der Pflicht, selbst für Qualität und Leistung zu sorgen. Wenn man seine Stadtwerke protegieren will (was ich per se schon für falsch halte), dann ist es notwendig, dafür zu sorgen, dass diese auch qualitativ hochwertige Leistungen bringen. Es wird Zeit, die mit Mehltau befallene ÖV-Branche aus ihrer Lethargie zu holen. Zeit für einen nächsten Schritt, der nicht nur ab und zu mal Umfragen macht, sondern der dafür sorgt, dass es ein Eigeninteresse an guten Leistungen gibt. Das ist derzeit nicht der Fall.
Siehe auch: TNS veröffentlicht aktuelles ÖPNV-Kundenbarometer