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Sicherheit beginnt mit Hinschauen

08.08.16 (Großbritannien & Irland, Kommentar) Autor:Max Yang

Hallo, Sie. Ja, Sie, der da gerade Zughalt liest. Haben Sie schon einmal einen klassischen Taschendiebstahl mitbekommen, oder eine fremdenfeindliche oder sexuell motivierte Straftat in nächster Nähe erlebt? Wenn Sie in einer Großstadt leben, dürfte die Antwort vielleicht Ja lauten. Hand aufs Herz: Was haben Sie gemacht? Dazwischen gegangen? Den Notruf gewählt? Weggeschaut? Ersteres kann schiefgehen, wie der Fall Dominik Brunner in München 2009 zeigte. Was den Eigenschutz angeht, ist diskret Alarm schlagen wohl besser. Wenn Sie an der Notrufsäule in einem Berliner U-Bahnhof den Knopf drücken, fängt die Säulenbeleuchtung aber wild an zu blinken und lässt Sie in den Fokus aller Anwesenden, einschließlich möglicher Randalierer geraten.

Und können Sie überhaupt diskret telefonieren, wenn Sie nachts S-Bahn fahren und bemerken, dass jemand Schlafende nach Wertsachen abtastet? Der ÖPNV kann statistisch gesehen sicherer sein als die Straße, dennoch ist in einem Rechtsstaat jeder „Einzelfall“ einer zu viel. Man darf sich bei der Kriminalitätsbekämpfung ruhig auch von den europäischen Nachbarstaaten inspirieren lassen. Die britischen Rezepte „SMS-Notruf“ und „Personal in städtischen U-Bahnhöfen“ sind leicht nachzukochen und die Resonanz zur Initiative „Text 61016“ der Britischen Transportpolizei spricht für sich. Nun ist auch Großbritannien kein kriminalitätsfreies Musterland.

Aktuell wird seit dem Brexit-Referendum Ende Juni eine Zunahme von xenophoben Übergriffen und Beleidigungen wahrgenommen. Die Kampagne „Post Ref Racism“ weist darauf hin, dass etwa 10% der gemeldeten Vorfälle in oder beim Warten auf öffentliche Verkehrsmittel stattfanden. Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan (Labour) forderte die Metropolitan Police auf, gegenüber zunehmenden fremdenfeindlichen Vorfällen „extra wachsam“ zu sein. Dies ist ein interessanter Kontrast im Vergleich zur Lage in Deutschland, wo nach den vornehmlich von Migranten begangenen sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof die Politik sehr ratlos wirkte, wie man mit einer neuen Form der Kriminalität umgehen solle.

Wegschauen, Schweigen aus Angst vor einem Image- und Reputationsverlust, kann zukünftige Kriminalität nicht verhindern. Wegschauen ist auch kein taugliches Mittel, um die Bevölkerung nicht unnötig zu „beunruhigen“. Im Zeitalter sozialer Medien verbreiten sich Nachrichten schnell. Nicht selten werden Touristen Opfer von Kriminalität im ÖPNV. Diese werden das Reiseziel in Zukunft meiden und negative Erfahrungen mit Freunden teilen.

Intensive Strafverfolgung und Polizeipräsenz können Nachahmer wirksam abschrecken. Dadurch tritt man auch Behauptungen, es gäbe einen „kulturellen Strafrabatt“ oder eine „sexistische Polizei“, aktiv entgegen und sichert den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt. Angesichts des hohen Dunkelfeldes muss zuerst die Anzeigebereitschaft gefördert werden. Die personelle Ausstattung von Polizei, Gerichten sowie Verkehrsunternehmen selbst ist auszubauen. Auch das gefühlte Sicherheitsniveau muss gut sein, damit der ÖPNV für die Verkehrswende fit ist.

Siehe auch: London: Aktionstag gegen sexuelle Übergriffe

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