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München braucht mehr ÖPNV

04.07.16 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Natürlich ist die Angebotsoffensive 2010-2020 ein wichtiger Schritt. Denn es wird sichergestellt, dass es über das gesamte laufende Jahrzehnt jedes Jahr verlässlich zum Fahrplanwechsel Leistungsausweitungen gibt. Das ist in einer stark wachsenden Stadt wie München auch notwendig. Aber das reicht eben nicht. Auch der Umbau einzelner S-Bahnstationen zu SPNV-Systemhalten ist ein guter, aber in der Gesamtheit nicht ausreichender Ansatz.

Die oft als „besonders nachhaltig“ empfundene Lösung nach dem Prinzip „ist billig und schnell gemacht“ kann in Einzelfällen zwar zur Betriebsstabilität und Angebotsverbesserung beitragen, aber München braucht mehr. Die zweite Stammstrecke muss gebaut werden, gerade auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sie nicht im Widerspruch zu einigen kleineren Zusatzprojekten steht. Auch die Anbindung der umliegenden Orte ist ein wichtiger Punkt.

Denn gerade in boomenden Städten wie München kann halt nicht jeder in fußläufiger Entfernung zum Marienplatz wohnen, sondern wie in wachsenden Metropolen dieser Art üblich, ist es wichtig, auch das Umland zu erschießen. Dafür braucht es neben verlässlich fahrenden S-Bahnlinien auch schnellen und gut vertakteten RE-Verkehr, der die Fahrzeit auf für weitere Strecken im Rahmen des erträglichen hält.

Man muss sich hier einfach klarmachen, dass die Wohnungsbau- und Verkehrspolitik eng miteinander verzahnt sind: Die Bundesregierung versucht mit einer Mietpreisbremse die schlimmsten Exzesse in überhitzten Wohnungsmärkten zu verhindern. Das kann kurzfristig sogar funktionieren, ändert aber nichts daran, wenn auf ein Wohnungsangebot hundert Interessenten kommen. Klar, manch einer kann sein Wohnklo im siebten Stock nicht mehr für tausend Euro kalt vermieten und mehrere hundert Euro Ausfertigungsgebühr für Mietverträge, die man bei Haus und Grund gratis aus dem Internet laden kann können nicht mehr erhoben werden.

Trotzdem muss man den Druck aus den Zentralbezirken nehmen und das geht nur, indem man erkennt, dass viele Menschen in einer von Urbanisierung geprägten Gesellschaft in der Stadt arbeiten und im Umland leben werden. Entsprechend müssen ÖPNV-Politik und Wohnungspolitik miteinander verzahnt werden. Es reicht eben nicht, wenn eine S-Bahn ab der Stadtgrenze nur noch einmal die Stunde als Regionalbahn die nächsten Orte abfährt. Außerdem ist es falsch, die Endstation in einem Mittelzentrum an dessen Hauptbahnhof zu platzieren und somit mehrere tausend Menschen erst mal einen langen Weg ebendort hin absolvieren zu lassen.

Das gilt für München wie auch für Berlin, Hamburg, Rhein-Main oder Köln/Bonn. Da braucht man aber nicht nur politisches Engagement, sondern auch die ÖV-Branche muss sich aktiv einbringen und das Gespräch mit den Planungsämtern, den Wohnungsbaugesellschaften und allen möglichen Stakeholdern suchen. Denn nur gemeinsam können solche Probleme gelöst werden. Man muss Neubausiedlungen im Umland gemeinsam mit der U-Bahnanbindung planen. Es reicht nicht mehr, Konzepte der 70er Jahre neu ausdrucken, es muss neu gedacht werden.

Siehe auch: Fahrgastrekord in München

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