Jeder muss seine Interessen vertreten
14.07.16 (Fernverkehr, Kommentar, NWL, Thüringen, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Gibt es juristische Winkelzüge, die eine faktische Direktvergabe von Eisenbahnleistungen, die in irgendeiner Form als InterCity gelabelt werden, doch noch durchzuführen? Einige Aufgabenträger haben sich von den Planungen des DB-Konzerns so beeindrucken lassen, dass sie ihren eigenen SPNV unbedingt zugunsten von Pseudo-SPFV streichen wollen. Klar, schon bei der Vorstellung des Konzeptes wurde klar und deutlich gesagt, dass man sich bei der DB AG weder auf Verkehrsverträge noch auf sonst etwas einlassen wird.
Okay, schon vor einigen Jahren wurde Controlling in VDV-Papieren als „überzogene Pönaleregime“ bezeichnet und natürlich waren die alten Kuschelverträge für ein Unternehmen wie die Deutsche Bahn angenehmer: Schlechtleistungen sind nicht so teuer gewesen und man konnte die dringend notwendigen Umstrukturierung so durchführen, ohne dass jeder Vandalismusschaden und jede für eine Woche gesperrte Tür gleich ein großer Kostenfaktor gewesen wäre.
Objektiv sieht man heute, dass wohl nirgendwo in der Branche ein solcher Qualitätssprung wie bei den Unternehmen der Deutschen Bahn gemacht worden ist. Hier geht es aber um was anderes: Hier möchte man zwar Geld vom Aufgabenträger, aber bei kaputten Toiletten, verschmutzten Zügen oder Verspätungen bitte keine Pönalisierungen. Die offizielle Verlautbarung sieht das natürlich anders: Man will die unternehmerische Freiheit gestalten und das Zepter des Handelns in der Hand behalten.
Sehr wahrscheinlich gibt es genug Kandidaten, die auf Sprachregelungen dieser Art reinfallen. Bei der DB AG hat man schließlich seine Erfahrungen mit solchen Dingen. Außerdem weiß man genau, wie man einem x-beliebigen Dorfschulzen den InterCity am eigenen Bahnhof als das nonplusultra verkaufen kann. Aber gerade deshalb ist jetzt der Punkt gekommen, an dem die Wettbewerber reagieren müssen. Wenn – wie in Nordrhein-Westfalen und dem Freistaat Thüringen – offen darüber gesprochen wird, dass man nicht mehr darauf hofft, dass keiner klagt, sondern nach gerichtsfesten Wegen sucht, muss eine politische Gegenreaktion erfolgen.
Als der Verband Mofair im letzten Jahr reanimiert wurde, hat man ein Aufbruchssignal gesetzt: Jetzt passiert etwas, die Zeiten, dass man unter dem Dach des VDV zulässt, dass DB-Positionen als Branchenkonsens ausgegeben werden, sind vorbei. Diese Ankündigung gilt es jetzt – noch in diesem Jahr – mit Leben zu füllen. Die Deutsche Bahn ist nämlich mit Sicherheit schon unterwegs. Dort steht man den Hinterbänklern im Landtag und im Bundestag zur Verfügung, wenn es um die Anbindung des eigenen Wahlkreises an den „neuen Fernverkehr“ geht.
Für die Wettbewerbsbahnen wird das auch ein großer Aufwand sein, aber den muss man jetzt eben machen. Denn dass die Deutsche Bahn nicht nur in den VDV viel Geld pumpt, sondern außerdem in umfassender Form auch selbst auf allen Ebenen Lobbyarbeit macht, ist nichts neues – im Gegenteil. Die Vertreter des DB-Konzerns vertreten zurecht die Interessen ihres Unternehmens. Das müssen deren Kollegen aus den NE-Bahnen nun intensiver als je zuvor auch tun.
Siehe auch: NWL und VMT wollen weiterhin SPFV-Direktvergaben