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Ankunft mit Verspätung

30.05.16 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Max Yang

Nun hat das Bundeskartellamt gesprochen: Einige bisherige Praktiken der Deutschen Bahn im Fahrkartenvertriebsbereich dürfen nicht mehr fortgesetzt werden. Vermutlich bedurfte es auch hier wie so oft einer Entscheidung von oben, um verkrustete Strukturen zu reformieren. Zwei Jahrzehnte nach der Bahnreform spiegelt sich im Vertrieb endlich wieder, dass NE-Bahnen keine Exoten mehr, sondern in einigen Regionen das SPNV-Rückgrat sind.

Sicher hat sich der Wettbewerb im Nahverkehr, der dem Steuerzahler erheblich Geld spart, eher trotz und nicht wegen des bestehenden Ordnungsrahmens und gegen viele Widerstände etabliert. Leidtragende der vom Kartellamt beanstandeten Praktiken waren letztlich die Fahrgäste und damit das Gesamtsystem des öffentlichen Verkehrs. Der durchschnittliche Fahrgast interessiert sich im Gegensatz zum Eisenbahnfan nur mäßig dafür, ob auf seiner Heimatstrecke DB Regio, Abellio, ODEG oder National Express fährt.

Was ihn aber durchaus interessiert, ist der Service. Die Mehrzahl der deutschen Aufgabenträger ist verantwortungsvoll und weiß, dass angesichts des demografischen Wandels funktionierende Toiletten und Klimatisierung kein Luxus mehr sind. Auch Steckdosen oder eben die Möglichkeit, durchgehende Fahrten zu buchen, gehören mittlerweile zum Standard. Doch eine Fahrkarten für die nicht mehr seltene Kombination DB-NE-DB oder NE-DB-NE zu buchen bereitete gerne Schwierigkeiten.

Parallel zur Betriebsaufnahme mancher NE-Bahnen wurden in einigen Regionen die im internationalen Vergleich mächtigen und durchaus sehr guten Fahrkartenautomaten der DB entfernt. Wie Verkehr und Vertrieb zusammenhängen, erschließt sich dem Durchschnittskunden kaum. Fahrkarten gibt es jedenfalls nur noch beim Zugbegleiter oder am Automaten des neuen Betreibers zu kaufen, doch diese bieten meist ein eingeschränktes Sortiment an und statt Fernverkehrssparpreisen gibt es allenfalls die unbeliebte Fahrkarte Anfangsstrecke.

In ländlichen Regionen, wo es auch keine Eisenbahnvertriebsagenturen mehr gibt, kann dies eine erhebliche Einschränkung sein. Es wird sich auch nicht jeder Kunde für mobiles und auch akkuladestandsabhängiges Ticketing spontan begeistern. Bei vielen bleibt dann nur hängen, dass es einfacher war, als „die Bundesbahn“ regierte, dass Wettbewerb zu schlechtem Service führe und der Bürger unter Sparmaßnahmen leide.

Wie so oft ist bei Vielfalt auf Schienen das „Wie“ nicht weniger wichtig als das „Ob“ – wie die gescheiterte neuseeländische Bahnprivatisierung zeigt, die nicht mit den polnischen, schwedischen oder britischen Reformen vergleichbar ist. Vergessen wir auch nicht, dass die ersten Aufgabenträger nunmehr zur wettbewerblichen Vergabe von Vertriebsleistungen übergegangen sind.

Wenn sich durch eine entsprechende Gestaltung der Wettbewerbsbedingungen zeigt, dass Deutschland „open for business“ ist, könnte auch der hiesige Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs vom Know-how profitieren, das Dienstleister in den EU-Nachbarländern über Jahre angesammelt haben. Im Ticketing-Bereich bleibt es spannend.

Siehe auch: BKartA: DB ändert Vertriebspraxis
Siehe auch: Der Vertrieb in Großbritannien

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