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Herstellerwartung: Es geht los

25.04.16 (Kommentar, Sachsen, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Nun ist es also in ein paar Wochen soweit: Das Elektronetz Mittelsachsen geht an den Start und man wird sehen, ob die chaotischen Zustände mit verschiedenen, sich gegenseitig blockierenden Akteuren tatsächlich eintreten. Denn im Zusammenhang mit Herstellerwartung ist genau das immer wieder prophezeit worden. Grau ist alle Theorie, entscheidend ist auf dem Platz – oder auf dem Gleis. Dabei ist es natürlich eine bislang nicht branchenübliche Situation, dass der Aufgabenträger zwei voneinander unabhängige Hauptauftragnehmer hat.

Das unterscheidet die Situation auch von anderen Herstellerwartungsmodellen, die es in Deutschland bereits gibt. Siemens macht die Instandhaltung für Transregio, aber im Auftrag des Verkehrsunternehmens. Die Situation mit einem Haupt- und einem Unterauftragnehmer ist daher eine andere. Dabei sind die Bedenken der Verkehrsunternehmen natürlich berechtigt. Immerhin bürgen sie mit ihrem Namen für ein Produkt, auf dessen Qualität, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit sie nur eingeschränkten Einfluss haben.

Was passiert also, wenn die Höchstgeschwindigkeit wegen Wartungsmängeln herabgesetzt wird, wenn Vandalismusschäden nicht entfernt werden oder die Züge einfach ständig Defekte haben? Natürlich bedarf es auch bei Konstellationen wie jetzt in Sachsen oder demnächst in Nordrhein-Westfalen einem umfassenden Controlling durch den Aufgabenträger. Die Erkenntnis, dass eine Zuschlagerteilung kein Freibrief für 15 Jahre Schlechtleistungen sein darf, setzt sich selbstverständlich auch hier fort.

Dazu gehören „robuste“ Verträge, die den Aufgabenträger in die Lage versetzen, im Falle von Schlechtleistungen auch beim Wartungsunternehmen ökonomischen Druck auszuüben. Aber es gibt noch einen weiteren Punkt, den man in diesem Zusammenhang sehen muss: Die positive Entwicklung bei der Deutschen Bahn in dieser Sache. Während man beim jetzt startenden Elektronetz Mittelsachsen noch darauf verzichtet hat, ein Angebot abzugeben, hat man sich inzwischen viel stärker auf sich ändernde Marktbedingungen eingelassen: So betreibt man Wartungsarbeiten im Auftrag von National Express oder wird dem VRR Fahrzeuge verkaufen und diese instandhalten.

Bereits vor Jahren sagte Heinrich Brüggemann von DB Regio NRw hier bei Zughalt, dass man in Nordrhein-Westfalen auch Interesse an Wartungsaufträgen für Züge hat, die man selbst nicht fährt, wenn eine Gesamtvergabe nicht mehr oder nur noch manchmal möglich ist. Die Einstellung der Verantwortlichen im DB-Konzern wandelt sich zum positiven. Auch das ist ein Erfolg der Eisenbahnreform, dass die Ex-Bundesbahn nicht mehr die Behörde mit Richtlinienkompetenz ist, sondern ein Unternehmen, das sich den Marktstrukturen anpassen muss.

Und auch wenn die ersten Aufträge, die in Deutschland nach dem jetzt neuen Prinzip vergeben wurden noch ohne die Deutsche Bahn stattfinden, das kann schon sehr bald anders sein. Auf jeden Fall ist seit einigen Jahren wieder mehr Bewegung im Markt, es gibt Veränderungen und es ist spannend, lustig und interessant, das alles zu verfolgen und zu beobachten.

Siehe auch: VMS: Elektronetz Mittelsachsen vor dem Start

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