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Debatte über ÖBB-Nachtzüge

29.04.16 (Fernverkehr, Österreich) Autor:Stefan Hennigfeld

Nachdem DB Fernverkehr bzw. DB Autozug die nächtlichen Reisezüge nahezu vollständig eingestellt hat, wird nun darüber diskutiert, ob die Österreichischen Bundesbahnen eigenwirtschaftliche Angebote auf deutscher Seite fahren könnten. Auf der Bilanzpressekonferenz der ÖBB wies dessen Vorstandsvorsitzender Christian Kern darauf hin, dass man 230 Millionen Euro in das Nachtzugsegment investieren möchte.

Einen Geschäftsbereich, an dem die DB AG trotz ihrer Strategie „Zukunft Bahn“ kein Interesse mehr zu haben scheint. Dirk Flege von der Allianz pro Schiene nimmt das zum Anlass und hofft auf ÖBB-Interesse am deutschen Markt: „Der Nachtzug ist ein fester Teil der Eisenbahnkultur, dem viele Reisende sogar ein besonderes Flair zugestehen. Die ÖBB-Nachtzug-Offensive hat daher gute Chancen, in Deutschland bei den Fahrgästen erfolgreich zu sein. Wir hoffen, dass es der ÖBB auch mit ihren deutschen Verbindungen gelingt, diesem wesentlichen Baustein des Systems Eisenbahn neues Leben einzuhauchen.“

Flege verwies auf einen Bericht des österreichischen Standard, wonach die ÖBB ganz gezielt den Rückzug der DB aus dem Nachtzuggeschäft kompensieren wolle. Auch die russische Staatseisenbahn und die Briten haben jüngst massive Investitionen in ihre Nachtzugverkehre angekündigt.

Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender bei Pro Bahn, sagte darüber hinaus, dass es in diesem Bereich kein Nachfrageprobleme gäbe: „Die Nachtzüge der DB waren und sind voll. Die Deutsche Bahn hat kein Problem mit den Fahrgästen, sondern eins mit den Kosten.“ Unternehmen und Fahrgäste seien in der Vergangenheit von der Politik allein gelassen worden.

Flege sagte in diesem Zusammenhang, dass Passagiere von grenzüberschreitenden Nachtzügen beim Ticketkauf in Deutschland bis zur Grenze den vollen Mehrwertsteuersatz zahlen müssten, während die meisten Staaten in der EU keine Mehrwertsteuer auf grenzüberschreitende Zugtickets erheben. Flugpassagiere zahlen ebenfalls keine Mehrwertsteuer auf grenzüberschreitende Tickets.

Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Matthias Gastell, hat in dieser Sache ebenfalls Hoffnung geschöpft: „Die österreichische Bahn zeigt, wie man Nachtzüge zum Erfolg führt. Mit einem wachsenden Streckennetz und zeitgemäßer Inneneinrichtung lassen sich auch im Nachtzugverkehr schwarze Zahlen schreiben. Vier Prozent Wachstum im Nachtzugsegment zeigen, wieviel Potenzial die Deutsche Bahn auf das Abstellgleis gesetzt hat. Ich kann nur hoffen, dass die Österreicher mit der Übernahme des Nachtzuggeschäfts der Deutschen Bahn auf dem deutschen Streckennetz ähnliche Erfolgsgeschichten schreiben. Die zentrale Lage Deutschlands mitten in Europa ist geradezu ideal für ein attraktives internationales Nachtzugnetz.“

Er nahm jedoch auch den Konzern selbst in die Pflicht: „Da die Deutsche Bahn die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat, wird dieses mitteleuropäische Nachtzugnetz wohl künftig von Österreich aus betrieben werden.“

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