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Die Potentiale der Straßenbahn nutzen

03.03.16 (Kommentar, München) Autor:Stefan Hennigfeld

Viele assoziieren mit der klassischen Tram bis heute einen kleinen Zug, kaum größer als ein Standardbus, der irgendwo auf einer eingleisigen Strecke auf der Straße mitschwimmt. Gemütlich eben, wie es früher war. Vielleicht gibt es auf etwas abseitigen eingleisigen Strecken sogar eine kleine Kneipe an der Haltestelle mit einem Schild davor: „Hier wird jede Straßenbahn vorgemeldet.“ So dass wartende Fahrgäste noch genug Zeit haben, ihren Deckel zu bezahlen, wenn sich die alle Stunde fahrende Tram nähert. Zurecht wurden solche Systeme größtenteils auf Busbetrieb umgestellt. Es war romantisch, aber letztlich völlig unwirtschaftlich.

Diese weit verbreitete Vorstellung hat mit der Realität längst nichts mehr zu tun. Die Straßenbahn, die Stadtbahn, die Metro, die Light Rail – wie immer man sie denn am Ende nennen mag – ist ein hochleistungsfähiges verkehrspolitisches Instrument im urbanen Raum. Auf eigenen Gleiskörpern, die maximal über Ampeln mit dem Individualverkehr zu tun haben, können sie ähnlich viel leisten wie eine moderne S-Bahn. Nun kennt der Gesetzgeber die Frage, was eine U-Bahn ist, nicht. Laut Gesetz existieren nur Eisenbahn und Straßenbahn, wobei letztere technisch auch ´nur´ eine besondere Form der Eisenbahn ist.

In München macht man vor, dass auch die Straßenbahn eine Rolle spielen kann und sollte. Selbstverständlich muss das in einem zeitgemäßen Kontext passieren. Eine Straßenbahn wollte nicht mit dem Bus im Stau stehen – wobei die Münchener Busverkehr in den letzten Jahren seinerseits ebenfalls massiv beschleunigt worden ist. Die Straßenbahn muss eine „Light Rail“ im besten Sinne sein. Dann kann sie in Städten wie München, Berlin, Hamburg, Köln/Bonn oder Dortmund ihren Nutzen entfalten. Ja, auch die Kölner Nord-Süd-Stadtbahn ist ein Konzept, das auf der juritischen Grundlage einer Straßenbahn funktioniert, von der Wuppertaler Schwebebahn ganz zu schweigen.

Nachdem man gerade in der alten Bundesrepublik der „autogerechten Stadt“ nachgelaufen ist und später versucht hat, den Busverkehr mit Parkgebühren und ähnlichem zu fördern, gilt es auch hier, ideologische Gräben zuzuschütten: Eine Straßenbahn muss in der Innenstadt nicht um jeden Preis vergraben werden, damit der Autoverkehr rollen kann. Im Gegenteil. Ein guter ÖPNV sorgt besser als die höchste Parkgebühr dafür, dass der Verkehr im Zentrum auf die kommunale Schiene verlagert wird. Die Straßenbahn ist auch im Vergleich zum Neubau von S-Bahnstrecken deutlich kostengünstiger, jedoch kaum weniger leistungsfähig.

Bei so mancher Schienenverbindung sollte man sich zukünftig die Frage stellen, ob der Nutzen bei einer BOStrab- oder einer EBO-Zulassung höher ist. Das gilt gerade auch vor dem Hintergrund der Schuldenbremse im Grundgesetz und der daher wahrscheinlich langfristig sehr knappen Investitionsmittel. Dass man in München nun neben der laufenden Angebotsoffensive 2010-2020 und neben dem Bau der zweiten S-Bahnstammstrecke auch die Tram nicht aus den Augen verliert, ist ein richtiges und wichtiges Zeichen für die Attraktivität des ÖV-Gesamtsystems.

Siehe auch: Erster Spatenstich zur Tram Steinhausen

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