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Menschliches Versagen wird angenommen

18.02.16 (Bayern) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Staatsanwaltschaft geht im Zusammenhang mit dem frontalen Zusammenstoß von zwei Regionaltriebzügen im Freistaat Bayern von menschlichem Versagen aus. Demnach soll der Fahrdienstleiter einen der beiden Züge auf eine Ersatzsignalisierung fahren gelassen haben, während der andere reguläre Fahrtsignale hatte. Damit wollte er der Fahrdienstleiter, wie bislang angenommen wird, den Betriebsablauf beschleunigen. So musste der Zug etwa nicht gegen ein Halt zeigendes und somit erst grün gewordenes Signal anfahren. Denn in so einem Fall ist der Zug bis zum Signal selbst noch in der Überwachung und kann nicht so schnell beschleunigen wie einer, der bereits bei der Einfahrt ein freies Ausfahrtsignal hatte.

Die Hoffnung war demnach wahrscheinlich, dass einer der beiden Züge noch schnell „durchrutscht“ und der andere auch dann wartet, wenn sein Ausfahrtsignal grün ist. Das erklärt dann auch den Notruf, den der Fahrdienstleiter offensichtlich noch abgesetzt hat, weil er beide Züge zum Anhalten bringen wollte. Dieser kam jedoch nicht mehr oder nicht mehr rechtzeitig an und konnte somit den schweren Eisenbahnunfall nicht verhindern. Normalerweise ist die Stellwerkstechnik so konstruiert, dass über jedes Stück Gleis nur jeweils eine Fahrstraße geschaltet werden kann. Es ist somit nicht möglich, bei einer eingleisigen Strecke zwei Zügen, die sich entgegenkommen, gleichzeitig freie Fahrt zu geben.

Sobald die „erste“ Fahrstraße geschaltet ist, kann die „zweite“ sich nicht mehr stellen lassen. Die Stellwerkstechnik verhindert das. Dennoch sind aber Hilfshandlungen möglich. Diese sind eigentlich dafür gedacht, für den Fall einer defekten oder ausgefallenen Technik einen Notbetrieb aufrecht zu erhalten. Wenn z.B. ein Gleis irrtümlicherweise als belegt angezeigt wird. Für diesen Fall gibt es zudem auch schriftliche Befehle, die der Fahrdienstleiter dem Triebfahrzeugführer entweder per Funk diktiert oder auch persönlich übergibt. Alternativ kann auch das Ersatzsignal Zs1 geschaltet werden. Das unterliegt keinerlei technischen Abhängigkeit. Inwieweit dieser Eisenbahnunfall auch politische Folgen und eine Änderung in den Vorschriften zu den Betriebsabläufen mit sich bringen wird, bleibt abzuwarten.

Aktuell laufen noch die Ermittlungen. Der Fahrdienstleiter, der zunächst mehrere Tage von seinem ihm gesetzlich zustehenden Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, hat sich der Staatsanwaltschaft gegenüber nun umfassend zur Sache eingelassen. Der 39 Jahre alte Mann, der auf fast zwanzig Jahre Berufserfahrung zurückblicken kann, wird von Strafverteidigern beraten, welche auch seinen aktuellen Aufenthaltsort kennen. Dort steht er den Ermittlungsbehörden auch weiterhin zur Verfügung. Da es sich um eine fahrlässige Tat handelt, hat die Staatsanwaltschaft keinen Haftbefehl beantragt. Dem Fahrdienstleiter drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis oder Geldstrafe. Während der Ermittlungen gilt der Grundsatz „Gründlichkeit vor Schnelligkeit.“

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