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22.02.16 (Baden-Württemberg, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Das Abellio-Urteil jährt sich in diesem Monat zum fünften mal und mit einer halben Dekade Abstand kann man die praktischen Auswirkungen sicherlich einigermaßen reflektiert beurteilen. In den ersten Wochen und Monaten danach hieß es überall und allerorten, man brauche dringend eine Gesetzesänderung. Mit den neuen Regelungen sei „der Markt“ überfordert.

Die üblichen Verdächtigen, die bereits vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofes erfolglos versucht haben, die Gesetze zu ändern, waren weiter auf Tour: Eine hohe Zahl von Direktvergaben und langfristigen Vertragsverlängerungen zugunsten von DB Regio und die wettbewerbliche Vergabe einiger weiterer Netze sei genau der richtige Weg, um eine „Vergabewelle“ wie 2011 und 2012 immer gesagt wurde, zu entzerren und zu verhindern.

Parallel dazu lief die mediale Begleitmusik, um Politiker einzuschüchtern: Auch DB Regio würde sich aufgrund des hohen Vergabevolumens künftig nur noch an einigen wenigen ausgewählten Ausschreibungen beteiligen. Viele Regionalstrecken könnten aufgrund von Bietermangel gegen den Willen der Aufgabenträger geschlossen werden müssen. Ein paar Jahre später klingt das alles irgendwie komisch. Auch wenn das Thema Marktaustritt bei DB Regio immer wieder bei einigen Vergabeobjekten im Raum stand. Frei nach dem Motto: „Das gefällt uns nicht, dann spielen wir nicht mehr mit.“

Aber einen ernsthaften Bietermangel gab es seitdem nie. Okay, es gab vom Aufgabenträger schlecht gemachte Ausschreibungen, etwa bei der S-Bahn Berlin. Hier war es das politische Ziel, unter der Wahrung des Vergaberechtes alle anderen Bieter zu vergraulen. Entsprechend ist es dann auch teuer geworden. Die Unternehmen merken eben, wenn sie nicht willkommen sind und spielen nicht den nützlichen Idioten, der für den Aufgabenträger den Preis des Wunschbetreibers senkt. Aber überall dort, wo man die Rahmenbedingungen so gestaltet, dass die Abgabe eines Gebotes lukrativ ist, dort gibt es Bieter: Ob in Nordrhein-Westfalen oder jetzt in Baden-Württemberg. Das gilt ebenso in Bayern, etwa bei der S-Bahn Nürnberg oder bei vielen Netzen in Niedersachsen.

Mit Go-Ahead ist zudem jetzt das zweite Unternehmen nach National Express nicht nur in den Markt eingestiegen, sondern hat auch Vergaben für sich entscheiden können. War das nach dem Abellio-Urteil wirklich nicht absehbar? Doch, es war! Denn diese seit Jahren im internationalen Markt agierenden Unternehmen haben Deutschland nicht zufällig auf dem Globus neu entdeckt, sondern den Markt langfristig beobachtet. Mit der neuen Rechtslage hat es sich gelohnt, deutsche Tochtergesellschaften zu gründen.

Und auch DB Regio ist auf einmal in der Lage, zu marktfähigen Preisen zu bieten. Dass das Angebot nun wegen eines Formfehlers ausgeschlossen wurde, nunja. Das ändert nichts daran, dass mit hohem Marktdruck ein insgesamt gutes Ergebnis erzielt werden kann. Die Fahrgäste profitieren, der Zuschussbedarf sinkt und die Qualität der Eisenbahn wird besser. Das ursprüngliche Ziel der Eisenbahnreform, diese wieder zu einem ernsthaften Verkehrsträger zu machen, wird mit Leben gefüllt.

Siehe auch: BaWü: Vergabekammer weist Beschwerde zurück

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