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Eine neue Aufbruchstimmung

25.02.16 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Wiener Linien weisen regelmäßig darauf hin, dass der öffentliche Verkehr in der österreichischen Landeshauptstadt einen größeren Anteil am Modal Split hat als der Autoverkehr. Und wie der VCÖ nun untersucht hat, ist das längst nicht nur dort der Fall. Es gibt ernsthafte Potentiale zur Verkehrswende: Die Menschen steigen um, wenn das Angebot stimmt. Also sie wechseln wirklich die Art der Mobilität und lassen ihr Auto stehen. Richtig und echt.

In Deutschland ist es gar nicht so lange her, da versuchte Rüdiger Grube, seines Zeichens Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG, vom desolaten Modal Split abzulenken, indem er darauf hinwies, dass die Fahrgastzahlen auf der Schiene stärker gestiegen seien als die Zahl der Auto-Neuzulassungen. Okay, das hat weder was mit dem Modal Split noch mit den Zahlen der insgesamt zugelassenen Autos zu tun. Hier wurde Sand in die Augen gestreut.

Natürlich sagen die Zahlen über das, was bundesweit im Durchschnitt los ist, nichts aus über regionale Erfolge. In den Metropolregionen ist das Potential ohnehin enorm. Natürlich nur, wenn man es auch angemessen ausnutzt. Ein Blick nach Berlin zeigt, wie man es nicht machen sollte: Die Berliner Verkehrsbetriebe AöR sprechen offen davon, dass das Wachstumspotential der sogenannten „Captive Rider“ in den kommenden Jahren so groß sei, dass man ansonsten nichts brauche. Also das, was früher mal die großen A waren: Arme, Alte, Auszubildende, Arbeitslose, inzwischen auch Asylbewerber bzw. Asylberechtigte.

Wer sich natürlich mit der Zielgruppe zufrieden gibt, die sowieso keine Alternative hat, der wird aber auch keine verkehrspolitischen Erfolge erzielen. Klar, in Berlin werden auch in zwanzig oder dreißig Jahren noch viele Jugendliche ohne Führerschein leben, viele arme Studenten, überhaupt viele Transferleistungsempfänger – alles Leute, die drauf angewiesen sind. Nur: Wer so denkt, der hat schon resigniert. Das kann auf keinen Fall ein Benchmark für die Zukunft sein.

Dabei gibt es nicht nur die Metropolregionen, sondern auch die Mittelstädte in dem, was man gemeinhin als „die Fläche“ bezeichnet. Die Broschüre „Stadt, Land und Schiene“, die die Allianz pro Schiene immer mal wieder aktualisiert herausgibt, zeigt verkehrspolitische Erfolge, die sich niemand hätte vorstellen können. Einer dieser Leuchttürme ist die Düsseldorfer Regiobahn, wo sich die Fahrgastzahlen innerhalb von 15 Jahren verfünfzigfacht haben (und angesichts der Streckenverlängerungen am Ost- und Westende noch viel Luft nach oben ist). Aber auch die Strecke der Nordwestbahn in Niedersachsen ist ein großer Erfolg.

Die Schiene hat Potential, man muss es nur richtig nutzen. Dazu gehören natürlich eine auskömmliche Versorgung mit Regionalisierungsgeldern und eine funktionierende Infrastruktur. Das ist aber nicht alles. Es braucht vor allem in den Verkehrsunternehmen und Aufgabenträgern einen Mentalitätswechsel. Im Eisenbahnwesen ist eine neue Aufbruchstimmung nötig: Neue Wege, kundenorientierte Arbeit (und zwar orientiert am Endkunden, nicht nur am Aufgabenträger) und vieles mehr: Der Dienstleistungsgedanke muss (wieder) her!

Siehe auch: VCÖ lobt umweltfreundliche Mobilität

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