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S-Bahn Berlin: Neue Aufträge vergeben

07.01.16 (Berlin, Brandenburg) Autor:Stefan Hennigfeld

In Berlin soll die zur Deutschen Bahn AG gehörende S-Bahn Berlin GmbH bis mindestens 2035 das Teilnetz Ring des S-Bahnnetzes betreiben. Das wurde unmittelbar vor Weihnachten entschieden. Übereinstimmenden Brancheninformationen und Medienberichten zufolge gab es keine anderen Bewerber mehr. RATP aus Frankreich, MTR aus Hong Kong und National Express waren ausgestiegen.

Unter anderem war Teil des Vergabeverfahrens die Forderung des Senates, dass neue Betreiber sämtliche Mitarbeiter übernehmen, die von der S-Bahn Berlin GmbH dem Teilnetz Ring zugeordnet werden. Die Mitarbeiter hätten dabei Anspruch auf lebenslange Besitzstandswahrung gehabt. Diese wäre auf Kosten und Risiko des neuen Betreibers gegangen. Berlins Verkehrssenaator Andreas Geisel (SPD) nannte dies im Tagesspiegel ein „für uns wichtiges Kriterium.“

Eine weitere Forderung war, dass die Fahrzeuge sich an unterschiedliche Bahnsteighöhen durch automatisches Anheben und Absenken hätten anpassen müssen. Auch wenn man von dieser Forderung wieder abgerückt ist, steht sie exemplarisch für den besonderen Aufwand des Verfahrens. Um den Status Quo an Verkehrsleistungen zu erhalten entstehen im Vergleich zum bereits zum Teil als überteuert angesehenen Altvertrag Mehrkosten in Höhe von 25 Millionen Euro – pro Jahr. Darin enthalten sind auch neue Fahrzeuge, die ein Konsortium aus Siemens und Stadler herstellen und liefern wird. Für Geisel ist dies eine „vertretbare Preissteigerung.“

Andernorts wurden durch Ausschreibungen im SPNV zum Teil erhebliche Summen eingespart, mit denen dann Leistungsausweitungen oder einfach nur gestiegene Kosten finanziert werden konnten. Das ist in Berlin nicht der Fall. Hier wird es teurer und ein Nettovertrag sorgt zudem dafür, dass auch stark steigende Markteinnahmen weiterhin aus dem System abfließen und nicht für Verbesserungen genutzt werden können. Schwere Kritik kommt daher aus der Opposition im Abgeordnetenhaus. Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, sprach im Zusammenhang mit der Vergabeentscheidung vom „miesesten S-Bahndeal aller Zeiten“.

Er verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die jährlichen Mehrkosten in Höhe von 25 Millionen Euro nur für das Teilnetz Ring und nicht etwa für die gesamte S-Bahn entstehen. Hier seien die Risiken für die Zukunft unkalkulierbar. Die Kostensteigerung in Höhe von insgesamt 15 Euro pro Zugkilometer (aktuell knapp neun Euro) entsprechen einem Zuwachs von über fünfzig Prozent was er für inakzeptabel hoch hält. Gelbhaar kritisiert dabei auch, dass der neue Verkehrsvertrag nicht im Abgeordnetenhaus vorgelegt und diskutiert wurde: „Nun ist klar, warum der Senat das Parlament ausgetrickst hat. Statt den Vertrag dem Parlament vorzulegen wurde am Parlament vorbei unterschrieben.

SPD und CDU hatten mehrfach angekündigt, das Ergebnis der Ausschreibung parlamentarisch beschließen zu lassen. Dieses miese Ergebnis wollten SPD und CDU aber nicht im Parlament vorstellen, geschweige denn verteidigen müssen.“ Die Fahrzeuge jedenfalls werden für drei Jahre ertüchtigt, bevor sie durch neue ersetzt werden. Ein Herstellerkonsortium aus Stadler und Siemens soll sie im Großraum Berlin/Brandenburg produzieren und ab 2020 an die S-Bahn Berlin GmbH ausliefern. Die Bekanntgabe, dass die Auslieferung ab 2020 erfolgt, bedeutet, dass einige der bereits jetzt veralteten Züge auch nach ihrer Aufarbeitung noch deutlich länger als drei Jahre in Betrieb bleiben werden.

Erst im Laufe des Kalenderjahres 2023 soll die Lieferung der gesamten Flotte dann abgeschlossen sein. „Bei den ersten zehn Fahrzeugen handelt es sich um ‚Vorserien- und Probefahrzeuge’. Sie durchlaufen umfangreiche Tests, bevor sie in den regulären Fahrgastbetrieb gehen – so sollen mögliche Erkenntnisse aus dem Betrieb in Berlin in die Serie mit eingebracht werden“, erklärt Ulf Braker, Geschäftsführer der Stadler Pankow GmbH.

Die Fahrzeuge haben weiterhin die vertraute gelb-rote Farbgebung, sollen aber über zahlreiche Komfortmerkmale verfügen, die im modernen SPNV üblich geworden sind: Etwa umfassende Fahrgastinformationssysteme und erstmals überhaupt moderne Klimaanlagen, wie es sie in Berlin aktuell weder in der S-Bahn noch in der U-Bahn gibt. 85 vier- und 21 zweiteilige Züge wurden verbindlich bestellt. Offiziell ist von einem „hohen dreistelligen Millionenauftrag“ die Rede, Medienberichten zufolge sollen neunhundert Millionen Euro gezahlt werden.

Siehe auch: Alle sind zufrieden

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