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S-Bahn Berlin geht erneut an die DB AG

10.12.15 (Berlin, Brandenburg) Autor:Max Yang

Wie aus der Senatskanzlei Berlin am Dienstag verlautete, soll die S-Bahn Berlin GmbH, ein Unternehmen des Deutsche-Bahn-Konzerns, den Zuschlag für das Teilnetz „Ring/Süd-Ost“ der Berliner S-Bahn erhalten. Der förmliche Zuschlag soll am 21. Dezember 2015 erhalten, da an diesem Tag die Einspruchsfrist der nicht erfolgreichen Bieter ende. Erst nach Ablauf dieser genannten Frist werde die Senatskanzlei weitere Details vor allem mit Blick auf die finanziellen Auswirkungen nennen.

Nach Angaben des Senats sei es vordergründiges Ziel gewesen, vor dem Hintergrund der S-Bahn-Krise in den Jahren 2009/10 die langfristige Zuverlässigkeit der künftigen Fahrzeuge wirksam abzusichern. Schlechte Leistung solle konsequent sanktioniert werden und durch die Festlegung von Sozialstandards ein Wettbewerb zu Lasten der Beschäftigten ausgeschlossen werden. Die Fahrzeugkapazität werde um etwa 20% gesteigert und eine neue Flotte von 191 Zwei-Wagen-Einheiten soll durch die S-Bahn Berlin beschafft werden.

Diese neuen Züge sollen voll barrierefrei sein, eine verbesserte Fahrgastinformation bieten, sowie mit Videoüberwachung und Klimatisierung ausgestattet sein. Der Betrieb wird gestaffelt aufgenommen, der eigentliche Ringbahnverkehr unterliegt erst ab 2023 dem neuen Verkehrsvertrag. Der Verkehrsvertrag beginnt 2021, hat eine Laufzeit von 15 Jahren und ist als Bruttovertrag ausgestaltet. Zum Vertragsende ist die S-Bahn Berlin GmbH verpflichtet, den Ländern Berlin und Brandenburg oder einem von den Ländern beauftragten Vertragspartner die Fahrzeuge für den Einsatz in einem Folgevertrag gegen Zahlung eines festgelegten Kaufpreises zu übergeben.

Kritisch äußert sich Stefan Gelbhaar, Mitglied der Bündnis 90/Die Grünen-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses: „Die Vergabe des S-Bahn-Rings ist ein Fiasko. Die Berlinerinnen und Berliner werden auch zukünftig die Leidtragenden sein – denn mit der Deutschen Bahn als Monopolist droht ein unzuverlässiger S-Bahn-Verkehr mit unpünktlichen oder ausgefallenen Zügen über das Jahr 2017 hinaus.“

Laut Senat entstünden beim S-Bahn-Ring jährlich 25 Millionen Euro Mehrkosten. Darüber hinaus kommen Interimsverträge sowie zu erwartende Preissteigerungen bei den Nord-Süd- und Stadtbahnstrecken, deren Betrag noch nicht beziffert werden kann. Während seiner Zeit als Verkehrssenator habe Michael Müller es versäumt, einen landeseigenen Fuhrpark auf den Weg zu bringen, wie er etwa in Niedersachsen bereits seit Jahren existiert, und somit die Mitbewerber abgeschreckt. Es bleibe, so Gelbhaar, der Eindruck, dass es sich um eine Scheinausschreibung gehandelt habe. Die S-Bahn könne nun ihre Bedingungen diktieren und werde dies auch bei den weiteren Verträgen tun.

Harald Wolf, verkehrspolitischer Sprecher der Linkenfraktion im Abgeordnetenhaus, erklärte: „Das Ergebnis der S-Bahn-Ausschreibung ist ein Flop auf der ganzen Linie. Die Weigerung des Senats, eine kommunale Lösung zu verfolgen, hat fatale Folgen: Bis 2023 muss die S-Bahn jetzt mit Altfahrzeugen betrieben werden, weil die Bestellung neuer Fahrzeuge erst nach Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren erfolgen kann.“ Auch zukünftig seien Zugausfälle zu besorgen. Aufgrund der Verpflichtung des zukünftigen Betreibers zur Beschaffung und Finanzierung der Fahrzeuge sei es zu erwarten gewesen, dass Wettbewerber jenseits des DB-Konzerns keine Chance hätten.

Am Ende konnte ein einziger Bewerber die Preise diktieren, zumal das Land die Option eines kommunalen Betreibers nicht als Alternative in Betracht gezogen habe. Wolf fordert vom Senat die Offenlegung der finanziellen Auswirkungen des Vertragswerks sowie der Interimsverträge noch vor Zuschlagserteilung. Darüber hinaus sollten Konsequenzen für die Vergabe der nächsten beiden Teilnetze gezogen werden und sofort ein kommunaler Fuhrpark und ein Landesunternehmen für den Betrieb aufgebaut werden.

Die Berliner S-Bahn war in den letzten Jahren von wiederholten Pannenserien aufgrund von Wartungsdefiziten und Personalmangels betroffen. Nach einer vom Kammergericht untersagten Ausschreibungsgestaltung zogen sich im zweiten Anlauf frühzeitig namhafte Wettbewerber wie RATP (Frankreich), MTR (Hongkong) und National Express (UK) aus dem Vergabeverfahren zurück, so dass nach übereinstimmenden Zeitungsberichten am Ende nur noch die Deutsche Bahn im Rennen war. Teilweise wurde aus Bieterkreisen auf eine ungewöhnliche und riskante Ausgestaltung der Ausschreibung verwiesen.

Siehe auch: Der Staat als Beute?

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