Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

Ruhr-Sieg-Express: NWL plant Direktvergabe an DB AG

14.12.15 (NWL) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Aufgabenträger Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) hat offiziell bekannt gegeben, dass man den Ruhr-Sieg-Express nach Ablauf des jetzigen Verkehrsvertrags mit Abellio direkt an die DB vergeben will. Diese soll dort mit Fahrzeugen in InterCity-Lackierung fahren. Bereits seit April hat es demnach Verhandlungen zwischen dem Aufgabenträger und der Deutschen Bahn gegeben. Die Planungen stehen im Zusammenhang mit dem im März bekannt gegebenen SPFV-Konzept der Deutschen Bahn, das in Teilen darauf beruht, dass langlaufende RE-Leistungen direkt an die DB vergeben werden und die Nutzung von Regionalverkehrsfahrscheinen im Rahmen von „Ausgleichszahlungen“ durch die Aufgabenträger ermöglicht.

Der Begriff „Bestellerentgelt“ wird dabei von allen Seiten vermieden. Ab 2019 soll demnach dieser durchgehende Zug von Frankfurt am Main über Siegen und Gießen nach Hagen und möglicherweise auch weiter durchs Ruhrgebiet oder gar bis zur Nordsee fahren. Konkret ist die Rede jedoch von alternierenden Endbahnhöfen Münster (über Hamm) und Dortmund (über Witten). Letzterer läge im VRR, welcher jedoch bereits angekündigt hat, dass es kein Geld für Fernverkehrsleistungen geben wird. Der RE 16 wird also ab Dezember 2019 zwischen Essen und Hagen wie gewohnt ausgeschrieben. Direktverbindungen ins mittlere Ruhrgebiet würden dann wegfallen.

Auch zwischen Dortmund und Hagen wäre ein solcher InterCity genannter Zug dann nicht mit VRR-Fahrscheinen nutzbar. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass der Zug in Hagen endet oder aber auf Kosten des NWL bis Münster geführt wird – als direkte Konkurrenz zur von National Express betriebenen Linie RE 7. Fraglich ist auch, was auf Siegener Seite passiert: Aktuell gibt es dort gute Anschlüsse vom RE 16 an den RE 99, der bis Gießen und alle zwei Stunden sogar bis Frankfurt am Main fährt – also der Wunschdestination der NWL-Verantwortlichen.

Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass es in den ersten Jahren nur einen Zug zwischen Hagen und Siegen geben wird. Erst ab 2024 endet der Verkehrsvertrag mit der Hessischen Landesbahn, der RMV könnte die Linie dann per Direktvergabe ebenfalls der Deutschen Bahn geben, so dass erst dann (und nicht bereits, wie vom NWL angekündigt, ab Dezember 2019) eine durchgehende Verbindung möglich wäre. Im neuen Jahr soll eine Entscheidung her, wie die geplanten Konzepte im einzelnen aussehen. So ist es durchaus möglich, dass der NWL keine Zahlungen an die Deutsche Bahn leistet und somit auch keine Nutzung mit Nahverkehrsfahrscheinen möglich ist.

Es ist jedoch nicht davon ausgehen, dass es einen eigenwirtschaftlichen Zug zusätzlich zum jetzt fahrenden Verkehrsangebot gibt. Der NWL müsste die Linie RE 16 auf einen Zweistundentakt ausdünnen. Das Risiko wäre jedoch, dass DB Fernverkehr einen solchen nicht vom Aufgabenträger alimentierten Zug kurzfristig wieder einstellen könnte, wenn er unwirtschaftlich wird. Der NWL müsste dann zu sehr hohen Preisen und ohne großen Vorlauf wieder zusätzliche Nahverkehrszüge bestellen. Da mit einer Ausdünnung der Linie RE 16 jedoch eine Verschlechterung einherginge, wenn ein neuer Fernverkehrszug nicht mit Nahverkehrsfahrscheinen zu nutzen wäre, ist dieses Szenario unwahrscheinlich. Ohne Geldflüsse zwischen NWL und DB AG dürfte es daher kaum gehen.

Das ginge zu Lasten des bisherigen Betreibers Abellio. Dessen Geschäftsführer Stephan Krenz hat im Oktober in der Wirtschaftswoche angekündigt, man werde „mit allen Mitteln gegen diese monopolistischen Bestrebungen wehren, wenn dem Schienenpersonennahverkehr Strecken ohne Ausschreibung weggenommen werden sollten.“ Das Modell müsste also gerichtsfest sein, was vor dem Hintergrund der juristischen Rahmenbedingungen nicht der Fall sein dürfte. Es ist daher ein realistisches Szenario, dass Gerichte den Planungen des NWL einen Riegel vorschieben.

Auch bei der Qualität bleiben Fragen offen: Die Deutsche Bahn will bei ihren Tarifausgleichen bislang keine Pönalisierungen bei verspäteten oder verschmutzten Zügen in den Verträgen akzeptieren. Die Qualität könnte daher sinken, ohne dass der Aufgabenträger die Möglichkeit hätte, ökonomischen Druck auszuüben. Auch bei der Barrierefreiheit gäbe es Rückschritte: So wurden die Bahnsteige an der Ruhr-Sieg-Strecke auf 76 Zentimeter angehoben. Die geplanten Doppeldeckerwaggons haben jedoch 55 Zentimeter Einstiegshöhe. Rollstuhlfahrer oder Eltern mit Kinderwagen kämen dann deutlich schlechter in den Zug.

Siehe auch: Die Unfähigkeit von NWL und RMV

Kommentare sind geschlossen.