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Mofair fordert verstärkte Ausschreibungspflicht

16.11.15 (Europa, Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Im Rahmen der Diskussion um das vierte Eisenbahnpaket hat der Verband Mofair eine verstärke Pflicht zur Ausschreibung von Verkehrsverträgen gefordert. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens wird auch die Vergabeverordnung 1370/07 grundlegend überarbeitet. Diese befasst sich mit der Vergabe von Betriebsleistungen im öffentlichen Verkehr – auf der Schiene und auf der Straße. In den nächsten Tagen treten Kommission, Parlament und Ministerrat in der Europäischen Union in einen Trilog zum weiteren Vorgehen.

Mofair fordert dabei Qualität, Transparenz, Effizienz und Leistungsfähigkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu erhöhen. Verbandspräsident Hans Leister warnt: „Statt dieses Ziel durch eine konsequente Ausschreibung von Verkehrsverträgen erreichen zu wollen, schlägt der EU-Verkehrsministerrat die gegenteilige Richtung ein und ermöglicht nahezu unbegrenzt Direktvergaben.“ Die aktuelle Regelung sieht Direktvergaben von einer Dauer von bis zu zehn Jahren (in Einzelfällen 15 Jahren) vor, wenn dies nicht nach nationalem Recht untersagt ist. Mofair fordert Direktvergaben nicht zu lizenzieren.

Eine Direktvergabe solle z.B. möglich sein, wenn der Aufgabenträger der Auffassung sei, dass strukturelle und geographische Merkmale des Marktes und des betroffenen ÖPNV-Netzes dies rechtfertigen. Auch wenn es durch die Direktvergabe zu einer Verbesserung der Qualität der Dienstleistungen und/oder der Wirtschaftlichkeit käme, solle eine Direktvergabe möglich sein. Das könnte etwa der Fall sein, wenn während eines laufenden Verkehrsvertrages auf einmal neue Züge angeschafft werden.

Ähnlich war es in Nordrhein-Westfalen vor dem Abellio-Urteil. Ein neuer Verkehrsvertrag hat vorgesehen, dass die Qualität verbessert wird. Die Laufzeit des Vertrages wurde erheblich verlängert. Aus Sicht der Vertragspartner war das damals ein „Änderungsvertrag“. Dieser Auffassung haben jedoch weder die Vergabekammer Münster noch das Oberlandesgericht Düsseldorf oder der Bundesgerichtshof zugestimmt. Nach deren Lesart handelte es sich um einen Neuvertrag, dessen Vergabe ein Vergaberechtsverstoß bedeutet hat.

Auch das umstrittene Elektronetz Nord in Sachsen-Anhalt hatte eine derart gelagerte Situation. Im laufenden Verkehrsvertrag wurden die stark veraltete Waggons aus DDR-Produktion durch Doppeldecker ersetzt. Diese waren aus einem Rahmenvertrag zwischen DB Regio und dem Hersteller bislang nicht abgerufen worden. Die NASA als Hauptaufgabenträger dieses Netzes berief sich dabei auf eine besonders günstige Gelegenheit. Dieser Argumentation folgte das Oberlandesgericht Naumburg jedoch nicht. Man stellte fest, dass ein gemeinsamer Vergaberechtsverstoß der NASA und der anderen beteiligten Aufgabenträger vorlag, jedoch hat der Beschwerdeführer, die Nordbayerische Eisenbahn formale Fehler gemacht, sodass die Vergabe nicht aufgehoben worden ist.

Beide Fälle aber haben gemeinsam, dass die Qualität kurzfristig gesteigert werden sollte. Da aber noch ein Verkehrsvertrag mit DB Regio lief, war das Unternehmen in beiden Fällen das einzige, das (gegen eine entsprechende Vertragsverlängerung) vorfristig zeitgemäße Fahrzeuge anschaffen konnte. Beide Fälle könnten dann nach neuem Recht ein Grund für eine Direktvergabe sein. Mofair-Vize Wolfgang Meyer: „Damit wird die im Prinzip vereinbarte Pflicht zur Ausschreibung von Verkehrsverträgen im öffentlichen Personennahverkehr ab 2019 durch die Hintertür wieder abgeschafft.“

In Deutschland würde diese Regelung allerdings nicht gelten, da auch weiterhin ein strikteres nationales Recht möglich wäre. Bestrebungen, Gesetzesänderungen zugunsten von Direktvergaben im Eisenbahnverkehr zu machen, gab es vor dem Abellio-Urteil und auch danach immer wieder. Jedoch fand sich nie eine entsprechende politische Mehrheit. Eine Bundesratsinitiative der rot-grünen Landesregierung aus Nordrhein-Westfalen wurde ohne weitere Beschlüsse diskutiert und an die Ausschüsse zurückverwiesen.

Bei Mofair stellt man sich allerdings die Frage, inwieweit die DB AG selbst Nachteile durch die neue Verordnung erleiden könnte. Während es in Deutschland nur unter strengen Voraussetzungen Direktvergaben gibt, sehen andere Länder das nicht so eng. Die DB AG, die immer wieder die Ungleichheit der Marktöffnungen im europäischen Eisenbahnetz kritisiere, sei hier beim Marktzugang außerhalb Deutschlands möglicherweise schwer benachteiligt. Dieser Status könnte sich durch die neuen Regelungen langfristig verfestigen.

Siehe auch: Ordnungspolitischen Rahmen gestalten

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