Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

Drum prüfe, wer sich ewig bindet

19.10.15 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Max Yang

Es ist noch nicht so lange her, da bedeutete Fernverkehrsentwicklung in Deutschland, dass zu jedem Fahrplanwechsel ein paar Linien wegen mangelnder Rentabilität gestrichen wurden. Plötzlich hat sich der Wind gedreht, und nunmehr übernimmt man bewährte Konzepte der Nachbarn – neben kostenlosem WiFi, das bei den Niederländern seit Jahren selbstverständlich ist, auch die Sparpreisbuchung am selben Tag, die bei der DB-Konzernschwester Arriva CrossCountry in Großbritannien als „Advance on the day“ bekannt ist.

Die Krönung des Ganzen soll der Intercity 2 sein, ein Flächennetz für ganz Deutschland. Die Fernbusse dürften zum Wandel beigetragen haben, sie allein sind es sicher nicht. Vielmehr wird das Abellio-Urteil des Bundesgerichtshofs von 2011, welcher das Wettbewerbsprinzip im deutschen Schienenpersonennahverkehr verankerte, dafür gesorgt haben, dass beim einstigen Monopolisten neue Wege gesucht wurden, um die (in Ländern wie Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Thüringen durchaus nicht mehr unangefochtene) Vorrangstellung zu verteidigen.

Und das Konzept ist sehr gut gemacht. Ein wenig Nahverkehr, ein wenig Fernverkehr, ein wenig gemeinwirtschaftlich, ein wenig eigenwirtschaftlich, ein wenig Taktintegration, ein wenig Tarifintegration, ein wenig Geld darf fließen, ein wenig vermeintliches Schnäppchen für den Aufgabenträger, ein wenig Rechte und bloß keine Pflichten etwa in Form vereinbarter Qualitätsstandards. Selbst Aufgabenträger, die nicht für einen harten Kurs gegenüber der DB bekannt sind, beklagen die seltsame Bindungsangst des Staatskonzerns.

Es hinterlässt auch einen Beigeschmack, wenn plötzlich über alle Kanäle kommuniziert wird, dass die Fahrgäste sich doch eine Tarifintegration wünschten. Die Wünsche und die Zufriedenheit der Fahrgäste spielen ansonsten im ÖPNV zu selten eine Rolle. Bei der krisengeschüttelten Berliner S-Bahn etwa kamen so ziemlich alle Akteure mit Ausnahme der Fahrgäste und der Berliner Volkswirtschaft auf ihre Kosten. Wer deren vermeintliches Interesse bemüht, will oft andere Motive dadurch verbergen.

Für die Wettbewerber drängt nun die Zeit. Einerseits wird zwar branchenweit gewitzelt, dass die DB beinahe mehr Verkehrspolitik macht als die Verkehrspolitiker selbst. Doch halten die nichtbundeseigenen Eisenbahnen das neue Konzept von DB Fernverkehr für nicht gerichtsfest, müssen sie schnell und umfänglich dagegen vorgehen. Ansonsten werden für die nächsten Jahrzehnte Fakten geschaffen. Der organisierte Wettbewerb auf der Schiene würde im schlimmsten Fall in eine rein passive Zuschauerrolle verbannt werden.

Manch einer gäbe sich damit zufrieden, als Subunternehmer nach Bahnens Gnaden eine RB99 von Posemuckel nach Hintertupfingen mit drei Schienenbussen zu betreiben, während die wichtigeren RE-Linien im Hinterzimmer an den Platzhirschen vergeben werden. Nur kann das nicht die Vision der jungen und modernen Dienstleister sein, als die sich die allermeisten NE-Bahnen verstehen. Jahrzehntelange Stagnation im deutschen öffentlichen Verkehr gilt es im Interesse aller Beteiligten zu vermeiden.

Siehe auch: Berliner Bahngespräche zur Zukunft der Schiene

Kommentare sind geschlossen.