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Berliner Bahngespräche zur Zukunft der Schiene

19.10.15 (Verkehrspolitik) Autor:Max Yang

Am vergangenen Mittwoch fanden die diesjährigen, von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs (BAG-SPNV) organisierten Berliner Bahngespräche statt. Thema war „Bahn der Zukunft – Zukunft der Bahn“. Einleitende Vorträge wurden dem hochkarätig besetzten Fachpublikum hierzu von Birgit Bohle, der Vorstandsvorsitzenden der DB Fernverkehr AG, sowie Reinhold Dellmann, einem ehemaligen brandenburgischen Landesminister und Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg e.V. geboten.

Bohle trug dem anwesenden Publikum eine Präsentation zum Projekt „Deutschland im Takt“ von DB Fernverkehr vor. Das Angebot in der Fläche soll durch vertaktete „Intercity-2-Züge“ dargestellt werden, die beinahe alle Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern in Deutschland bis 2030 anbinden sollen. Der Zeithorizont sei erforderlich, da DB Fernverkehr integrierte Konzepte anbieten und nicht gegen den Nahverkehr fahren möchte. Drei ungenannte Linien seien bereits mit den Nahverkehrs-Aufgabenträgern abgestimmt. (Wie aus mehreren Quellen zu erfahren war, soll zumindest eine dieser Linien in Nordrhein-Westfalen liegen).

Ende 2018/19 werden erste Schritte zur Realisierung des Flächennetzes begonnen. Dellmann erläuterte das Projekt „Deutschland-Takt“ auf wissenschaftlicher Basis und mit Verweisen auf Praxisbeispiele unter anderem aus der Schweiz, Österreich sowie Rheinland-Pfalz, wo entsprechende integrierte Taktfahrpläne bereits erfolgreich umgesetzt wurden. Leider nur angeschnitten wurde das Thema einer betreiberneutralen Dachmarke für den gesamten Schienenpersonenverkehr in Deutschland.

In einer anschließenden Podiumsdiskussion sprachen neben Bohle unter anderem auch Christian Pegel (Infrastrukturminister Mecklenburg-Vorpommerns), Ben Möbius (Verband der Bahnindustrie) sowie Bernhard Wewers (Geschäftsführer NAH.SH) über Gemeinsamkeiten und Unterschiede von „Deutschland im Takt“ der DB sowie des „Deutschland-Taktes“. Es fiel dabei die denkwürdige Aussage, dass das aus GB bekannte Modell eines Aufgabenträgers für NV und FV kein Vorbild für Deutschland sei, da die DB dies nie zulassen würde. Aus dem Publikum kamen verschiedene, teilweise sehr kritische Fragen und Wortmeldungen.

Michael Vulpius, Geschäftsführer von Benex, kritisierte die angestrebte Vermischung von Nahverkehrsfinanzierung und Fernverkehr. Man könne entweder Fernverkehr wettbewerblich vergeben oder zurück zur Behördenbahn, es sei jedoch nicht sinnvoll, wenn DB, Bahnindustrie und Aufgabenträger unter Ausschluss der Wettbewerber arbeiteten. Pegel antwortete, dass die Länder nicht direkt den Ausschluss neuer Eisenbahnen vor Augen hätten, jedoch die Fahrgäste eine bessere Abstimmung von Angeboten erwarteten, und verwies auf die Konkurrenz durch Fernbusse. Es werde stellenweise Kooperationen mit DB Fernverkehr geben, aber nicht flächendeckend.

Professor Wolfgang Fengler von der Technischen Universität Dresden, der als junger Bundesbahner die Einführung des InterRegio miterlebte, fühlte sich angesichts der Intercity-2-Pläne an vergangene Zeiten erinnert. Wie damals werde auch heute wieder mit enormem Aufwand ein neues, zweites vertaktetes Fernverkehrssystem geschaffen und große Summen ins Rollmaterial investiert. Ein Plan B für den Fall, dass sich das System nicht mehr rentiert, sei aber nicht erkennbar.

Ein Vertreter des Verkehrsverbundes Oberlausitz-Niederschlesien prangerte an, dass das angestrebte Intercity-2-Netz der Deutschen Bahn die relativen Randregionen vernachlässige und schon in Dresden aufhöre. Das ZVON-Gebiet bleibt somit abgehängt, auch wenn die Zusammenarbeit im Nahverkehr mit Tschechien mit dem Trilex bereits sehr gut funktioniert. Rüdiger Malter vom Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt warnte vor zu viel Misstrauen gegenüber der DB und trug die Idee vor, sich mit DB Fernverkehr für Verkehrsverträge zusammenzusetzen.

Susanne Henckel vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg legte offen, dass mit DB Fernverkehr sehr intensiv Gespräche geführt würden und Partner bereitstünden, da alle mehr Geld verdienen und Kunden ins System holen wollten. Nur sei ein Vertragswerk zwischen DB und Bestellern erforderlich, da in den letzten Jahren viel Porzellan im Hinblick auf die tarifliche Integration zerschlagen worden sei. Henckel forderte Sicherheiten für den Fall, dass etwa Länder RE in einer Rahmentrasse abbestellten, und bat die DB, offen für neue Wege zu sein.

Siehe auch: Drum prüfe, wer sich ewig bindet

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