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Ein Stück Komfort

24.09.15 (go.Rheinland, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

In einer überfüllten S-Bahn sind mehrere hundert Menschen. Davon sind nicht einmal zehn oder zwanzig bereit, für fünfzig Euro mehr im Monat das Upgrade zur ersten Klasse zu buchen. Das muss Ursachen haben. Die erste Klasse in der S-Bahn ist nicht von der Qualität, wie man es vielleicht aus Fern- oder langlaufenden Regionalzügen gewohnt ist. Aber sie ist eine faktische Sitzplatzgarantie. Da muss man sich also zunächst einmal die Frage stellen, wieso es der Marketingabteilung bei DB Regio bzw. VRS nicht gelungen ist, diese Plätze vernünftig zu vermarkten. Die Annahme, dass man das überhaupt nicht versucht hat, liegt nahe.

Dabei ist die Freigabe der ersten Klasse angesichts der tatsächlichen Kapazitätsprobleme auf den Linien S12, S13 und S19 natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ähnlich haben die Grünen vor den Bundestagswahlen 2013 in Nordrhein-Westfalen gefordert, in den notorisch überfüllten RE-Zügen die erste Klasse aufzuheben. Aber wenn tausend Leute in einem überfüllten Zug mit 600 Sitzplätzen sind, dann nutzt es nichts, die erste Klasse freizugeben – wenn dort 25 Leute auf 30 Sitzplätze kommen. Denn diese zahlenden Fahrgäste vergrault man. Wäre die erste Klasse im Regionalexpress nicht mehr verfügbar, würde ich nicht mehr fahren, sondern verstärkt das Auto nehmen. Das gilt umso mehr, wenn Aktentasche und Laptop dabei sind.

Gut, wir reden hier von der S-Bahn, wo die Leute relativ kurze Fahrtzeiten haben und es daher längst nicht so dramatisch ist. Trotzdem ist die erste Klasse ein Stück Komfort auf der Schiene, auch im SPNV. Hier taucht ein Problem auf, das eine direkte Folge der Nettoverträge des NVR ist: Durch mehr Fahrgäste entstehen auch höhere Markteinnahmen. Aber die Nettoverträge sorgen dafür, dass die zusätzlichen Gelder aus dem System abfließen und die Gewinne beim Betreiber steigen.

Infolgedessen fehlt das Geld beim Aufgabenträger. Dieser kann keine zusätzlichen Eisenbahnleistungen bestellen kann, was eigentlich nötig wäre. Die Fahrgäste, die eigentlich mit ihren Fahrgelder selbst dazu beitragen, die wirtschaftliche Grundlage für zusätzliche Züge zu schaffen, finanzieren in der laufenden Vertragsperiode ausschließlich höhere Gewinner beim Betreiber. Dabei spielt das keine Rolle, ob DB Regio oder jemand anders fährt. Das Geld fließt zunächst ab. Erst in der nächsten Vertragsperiode ist der Aufgabenträger wieder in der Lage, es für weitere Leistungen zu nutzen. Der spezifische Zuschussbedarf ist aufgrund der hohen Auslastung gesunken.

Gerade in der Metropolregion Köln/Bonn muss man sich daher fragen, ob Nettoverträge zugunsten der Betreiber wie sie bislang üblich sind, wirklich der Weisheit letzter Schluss sind. Es könnte zur Finanzierung sinnvoller seiner, die steigenden Markteinnahmen im Rahmen von Bruttoverträgen beim Aufgabenträger zu halten: Davon könnten etwa Infrastrutkurmaßnahmen finanziert oder zusätzliche Züge bestellt werden. Anreizregelungen können auch so dafür sorgen, dass der Betreiber mehr Fahgäste locken will. Trotzdem würden die Markteinnahmen für gemeinwirtschaftliche Zwecke zur Verfügung stehen.

Siehe auch: NVR gibt pilotweise erste Klasse frei

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