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Die ÖV-Branche und der Nutzer

03.09.15 (Allgemein, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Manches muss man sich einfach nur mit Verstand und der Fähigkeit zur Reflexion anhören. Etwa auf Kongressen oder Konferenzen, wenn Branchenakteure über Entwicklungen, Pläne und Konzepte dozieren. Es ist beeindruckend, dass einige überhaupt nicht merken, wie dreist oft von „Kunden“ die Rede ist, während die „Nutzer“ offensichtlich völlig andere Personengruppen sind. Ja, durch das Bestellerprinzip und durch die vielfältigen Beziehungen zwischen Aufgabenträgern, Verkehrs- und Infrastrukturbetreibern, Herstellern und allen anderen gewerblichen Akteuren hat man den Eindruck, dass das ÖV-Wesen ein reines B2B-Geschäft ist.

Und ein Stück weit stimmt das ja auch. Dadurch dass sich öffentlicher Verkehr größtenteils nicht eigenwirtschaftlich darstellen lässt, ist es stets immer mindestens eine Kombination aus B2B und B2C. Natürlich kann man jetzt aus volkswirtschaftlicher Sicht alles als Kette definieren, an dessen Ende immer ein B2C-Geschäft steht. Demnach wären die Fahrgäste die Kunden der Verkehrsverbünde und Aufgabenträger und alles, was dahintersteht, hat nichts mehr mit dem eigentlichen Endkunden, also dem Nutzer (nicht mehr Beförderungsfall) zu tun. Ein einfacher Blick in den Alltag zeigt, dass das tatsächlich so ist und dass die Nutzerzufriedenheit allenfalls pro forma gemessen wird.

Der VDV, und dessen Ansichten sind ja definitorisch stets Branchenkonsens, hält die Nutzerzufriedenheit in einer Stellungnahme zu den Guidelines bezogen auf die Vergabeverordnung 1370/07 tatsächlich für uninteressant. Natürlich müssen man die Nutzer nach ihrer Meinung fragen, aber Folge dürfe das bitte auf keinen Fall haben. Ja, die Nutzer werden in den sozialen Netzwerken von PR-Abteilungen betreut (für die gerade die kommunalen Verkehrsunternehmen trotz der selbst empfundenen massiven Untersubventionierung noch immer ausreichend Geld zu haben scheinen), aber mehr ist da eben auch nicht.

Manche haben einen etwas bodenständigeren Auftritt im Web 2.0, andere einen etwas größeren, in Einzelfällen sogar recht skurril. Wer erinnert sich nicht daran, dass die Essener Verkehrs AG Twitternutzer bedroht hat (Letzte Warnung!)? Nur spätestens wenn man die Ebene dieser Nutzerbetreuungen verlässt, dann steht dort ein von öffentlichen Geldern lebender Komplex, in dem der Nutzer, falls überhaupt, nur als Finanzierungssäule von Bedeutung ist.

Ja, es gibt Markteinnahmen, die bei der Gesamtfinanzierung eine Rolle spielen. Ein Kostendeckungsgrad von achtzig Prozent heißt nicht, dass achtzig Prozent des Umsatzes am Markt erwirtschaftet werden, sondern der VDV trickst bei der Berechnung (je nachdem, ob man gerade höhere Fahrpreise oder höhere Subventionen begründen möchte) mal in die eine und mal in die andere Richtung. Aber Markteinnahmen heißt ja nicht, dass hier Kunden freiwillig Geld für eine Leistung zahlen, mit der sie zufrieden sind. Die meisten Fahrgäste sind schlichtweg drauf angewiesen und müssen daher zahlen oder zu Hause bleiben. Aber gerade deshalb ist der Bezug zum Endkunden so klein – und abseits glänzender Pressemeldungen kommen dessen Bedürfnisse viel zu kurz.

Siehe auch: TNS Infratest legt ÖPNV-Kundenbarometer vor

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