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BVG und VBB: Wachstumskurs bei Captive Ridern

21.09.15 (Berlin) Autor:Max Yang

Die Berliner Verkehrsbetriebe AöR (BVG) luden am vergangenen Mittwoch gemeinsam mit dem Fahrgastverband IGEB zum jährlichen Fahrgastsprechtag in den Betriebshof Berlin-Lichtenberg. Stolz verkündete die BVG-Vorstandsvorsitzende Sigrid Nikutta, dass die BVG AöR im laufenden Geschäftsjahr erstmals schwarze Zahlen schreiben werde. Dennoch seien noch Altlasten in Form von 700 Millionen Euro Schulden abzubauen. Bis Ende des Jahres würden tausend Mitarbeiter neu eingestellt, von Fahrern über Ingenieure und Werkstattmitarbeiter bis hin zu Servicekräften und eigenen Fahrkartenkontrolleuren.

Das Durchschnittsalter der Belegschaft des kommunalen Betriebs betrage 49 Jahre, die mittleren Altersstufen seien aber stark unterrepräsentiert. Der Fahrermangel im Geschäftsbereich Straßenbahn, der auf mehreren Metrotram-Linien zur Umstellung von 10- auf 20-Minuten-Takt schon ab 21:30 Uhr sowie zur Übernahme von aushelfendem Personal aus Augsburg, Frankfurt (Oder) und Mainz geführt hat, sei nicht auf reines Sparen zurückzuführen. Ein überraschender Krankenstand sowie die Rente mit 63 hätten die BVG überrascht. Nunmehr erhalte man bei jeder Ausschreibung neuer Fahrerstellen im Tramnetz, das 2015 150-jähriges Jubiläum feierte, rund 400 bis 500 Bewerbungen.

Optimistisch zeigt man sich beim kommunalen Verkehrsbetrieb der Bundeshauptstadt, was das Wachstum der Stadt Berlin angeht. Für dieses Jahr werden rund eine Milliarde Fahrgastfahrten erwartet, eine deutliche Überholung früherer Prognosen, die diese Zahl erst im Jahr 2020 voraussagten. Rund um die Uhr, so Nikutta, sei etwas los und auch an Sams- und Sonntagen wird der ÖV von Berlinern und Touristen gern nachgefragt, sodass traditionelle Angebotskonzepte nicht mehr ausreichten. 2030 werde es mindestens 3,7 Millionen Einwohner geben. Das Bevölkerungswachstum in Berlin übertreffe im Moment damit alle bisherigen Prognosen, und die BVG stelle sich darauf ein.

Die am stärksten wachsenden Kundengruppen sind die über 65-Jährigen sowie die 6- bis 17-Jährigen. Verwiesen wurde auf die Bevölkerungsprognose für Berlin und die Bezirke 2011-2030. Diese sagt 3,68 Millionen Einwohner für das Jahr 2030 voraus. Gegenüber dem Stand von 2011 (2,27 Millionen, 66%) wird die Zahl der Erwerbsfähigen im Alter von 18 bis 64 Jahren abnehmen (auf 2,264 Millionen, 62%), während etwa die Zahl der 6- bis 17-Jährigen von 318.000 (9%) auf 380.000 (10%) zunimmt. Eine ähnliche Zunahme ist auch bei den Rentnern zu beobachten. Es werden sowohl im Oktober als auch zum großen Fahrplanwechsel im Dezember einzelne Angebotsmaßnahmen auf Dutzenden Buslinien stattfinden.

Gleichzeitig stellt die BVG fest, dass das Durchschnitts-tempo der Busse sinkt. Man arbeite mit dem Senat an der Einrichtung von Busspuren sowie Ampelschaltungen. Den demografischen Wandel habe die BVG auch im Blick. „Die U-Bahn ist das Rückgrat dieser Stadt“, so Nikutta, sodass jeder U-Bahnhof perspektivisch durch den Einbau von Aufzügen barrierefrei werden solle. Das Durchschnittsalter der U-Bahn-Flotte beträgt 26 Jahre im Großprofil und sogar 29 Jahre im Kleinprofil. Entlastung brachte die Einführung von zwei neuen Zügen der Baureihe IK Anfang September, doch sei bereits nach einigen Wochen im Tagesbetrieb Vandalismus in Form von nicht zu entfernenden Tags zu beklagen.

Die umstrittenen Klebefolien mit dem Brandenburger-Tor-Aufdruck, die die Fenster der Berliner U-Bahn zieren, sollen rund 1 Million Euro Einsparung im Jahr erzeugen, die nicht für den Ersatz zerkratzter Fensterscheiben aufgewandt werden müssen. Allerdings verfügen auch die neuen IK-Züge nicht über eine Klimaanlage. Ein kritischer Fahrgast im Publikum merkte an, dass in New York die U-Bahn vollständig klimatisiert werden solle. Nikutta entgegnete, dass Klimaanlagen in Tunneln Abwärme abgäben und es auch eine „Umweltgeschichte“ sei.

Christfried Tschepe erläuterte, dass auch der Fahrgastverband IGEB der Klimatisierung von Berliner U-Bahn-Zügen kritisch gegenüberstehe. Nicht zur Sprache kam, dass u.a. in London auch infrastrukturelle Maßnahmen getroffen werden, um durch mehr Energieeffizienz und Luftaustausch das Abwärmeproblem zu vermeiden, und potentielle Kunden durch gesundheitsgefährdende Hitze im Sommer durchaus zum Auto getrieben werden könnten. Genannt wurde aber der veraltete Automatenbestand. Hier verwies Nikutta auf die lange Dauer von Ausschreibungen. Doch sind die Probleme schon seit Jahren bekannt.

Siehe auch: Die weiße Fahne wird gehisst

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