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DB Regio gewinnt Ausschreibung im Ländle

27.08.15 (Baden-Württemberg) Autor:Stefan Hennigfeld

Die erste große Ausschreibung in Baden-Württemberg konnte DB Regio für sich entscheiden. Das Netz 3b (Gäu-Murr) geht ab 2017 für (mindestens) acht Jahre an DB Regio. Es besteht aus rund 2,1 Millionen Zugkilometern pro Jahr. Bemerkenswert ist dabei vor allem, dass das Unternehmen nach die Finanzierungsmöglichkeiten in Anspruch genommen hat. Im Klartext heißt das, dass das bereits in Nordrhein-Westfalen angewandte Modell nach dem Prinzip Sales-and-Lease-Back nun erstmals überhaupt im DB-Konzern zum Einsatz kommt.

Die Fahrzeuge werden daher im Eigentum des Landes Baden-Württemberg stehen und von DB Regio für acht Jahre gemietet. Für den Fall, dass nach dieser Zeit ein anderer Bieter den Zuschlag erhält, stehen sie im konzerninternen Gebrauchtfahrzeugmarkt nicht zur Verfügung, sondern verbleiben gesichert im Netz. Das ist gerade deshalb verwunderlich, weil man in den letzten Jahren immer wieder Rollmaterialfinanzierung durch den Aufgabenträger kritisiert hat und bei Ausschreibungen, in denen die Annahme dieses Angebotes optional war, stets mit selbst finanzierten Zügen an den Start gegangen ist.

Dabei hat man in Nordrhein-Westfalen sogar zuletzt mit den S-Bahnlinien S5 und S8 sowie der Rhein-Haard-Achse zwei Netze gewonnen, bei denen man als einziger Bieter nicht das Finanzierungsangebot der Aufgabenträger angenommen hat. Aber auch hier hat sich das Modell als Erfolg erwiesen: Insgesamt sechs Angebote waren am Ende des Verfahrens im Topf. Von einem vermeintlichen „Erstellermangel“, mit dem gelegentlich begründet wird, dass ein Großteil des SPNV-Marktes direkt an DB Regio vergeben werden müsse und nur ein Teil in den Wettbewerb zu überführen sei, kann angesichts dieser Zahlen keine Rede sein. Nachdem die zehntägige Einspruchsfrist abgelaufen ist ohne dass jemand die Zuschlagserteilung angefochten hätte, ist diese nun endgültig erfolgt.

Die stark veralteten Silberlinge aus den Beständen der Deutschen Bundesbahn werden aufs Abstellgleis geschickt und durch moderne Neufahrzeuge vom Typ E-Talent 2 des Herstellers Bombardier ersetzt. Der Vertrag ist komplett neu: Es gibt keinen Nettovertrag mehr, bei dem die Fahrgelder vom Aufgabenträger an den Betreiber durchgeleitet werden, sondern einen Bruttovertrag. Die Markteinnahmen verbleiben beim Aufgabenträger und dieser kann, etwa für den Fall extrem steigender Fahrgastzahlen, zusätzliche Zugleistungen bestellen oder auch einfach nur die massiven Kostensteigerungen im Infrastrukturbereich abfedern, ohne dass diese durch Abbestellungen kompensiert werden müssten.

Mit der Vergabe ist auch eine deutliche Ausweitung der Leistungen verbunden. So werden künftig zwischen Stuttgart und Murrhardt von Montag bis Samstag ganztags bis zum frühen Abend halbstündliche Verbindungen von und nach Stuttgart angeboten. In den Hauptverkehrszeiten wird dieser Halbstundentakt bis Schwäbisch Hall ausgedehnt. Auch Gaildorf wird mit zwei Zügen pro Stunde bedient werden. Zudem werden die Fahrzeiten von Schwäbisch Hall-Hessental bis Stuttgart um eine Viertelstunde verkürzt. Der Zuschussbedarf sinkt von 11,69 Euro plus Markteinnahmen auf 8,22 Euro ohne Markteinnahmen, jeweils pro Zugkilometer. Darüber hinaus muss DB Regio die Miete für die Züge ganz regulär entrichten.

Welche Bedeutungen das für das laufende Beihilfeverfahren im großen Verkehrsvertrag hat, bleibt abzuwarten. Hier fährt DB Regio für deutlich mehr Geld und das mit den Silberlingen, auf die keine Abschreibungen o.ä. notwendig sind, weil sämtliche Rollmaterialbestände der alten Bundesbahn mit Wirkung zum 1. Januar 1994 ins Eigentum der Deutschen Bahn übergegangen sind. Laufende Finanzierungskredite übernahm damals das Bundeseisenbahnvermögen ohne eine Gegenleistung von Seiten der neu gegründeten DB AG.

Besonders erfreut zeigt man sich bei der Düsseldorfer Kanzlei Heuking, die die Vergabe begleitet hat. „Die neuen Fahrzeuge und die ausgeweiteten Leistungen sind finanzierbar, weil Baden-Württemberg ein offenes und faires Wettbewerbsverfahren mit einem auf das Land zugeschnittenen Finanzierungsmodell organisiert hat“, kommentiert Ute Jasper, Leiterin des Vergabeteams bei Heuking Kühn Lüer Wojtek. „Es ist schon eine kleine Sensation, dass sich das Finanzierungsmodell bei allen Bietern, auch bei der DB Regio, durchgesetzt hat.“ Noch im laufenden Jahr wird es eine ganze Reihe weiterer Ausschreibungen in Baden-Württemberg geben.

Siehe auch: Markt wirkt

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