Das Versagen der Aufgabenträger
03.08.15 (Kommentar, Rheinland-Pfalz, Saarland) Autor:Stefan Hennigfeld
Wenn die Bildzeitung die Saarbrücker Oberbürgermeisterin mit dem Satz „Das Thema Privatbahnen sollte neu diskutiert werden“ zitiert, dann muss irgendwas vorgefallen sein. Es war Anfang Juli, als Hitze in Deutschland herrschte und beim Vlexx die Klimaanlagen ausgefallen waren. Ja, die Firma Vlexx, die seit Dezember letzten Jahres im Dieselnetz Südwest fährt und die dabei erkennbar überfordert ist. Damit schadet sie dem Image der Schiene bei den Fahrgästen, die sich mit der Abschaffung der Bundesbahn nur mühsam von dem Ruf befreien konnte, unzuverlässiger als das eigene Auto zu sein.
Aber es schadet auch der Marktentwicklung insgesamt, wenn Privatbahnen als schlecht wahrgenommen werden, weil die öffentliche Diskussion dann sehr schnell auf ein „Bundesbahn oder Privatisierung“ hinausläuft. Das ist zwar eine stark verkürzte Wahrnehmung, ändert jedoch das Problem nicht. Auch in Nordrhein-Westfalen ist Keolis im Dezember 2009 mit einem dicken Fehlstart aufgefallen und glänzt seitdem immer wieder durch Unterkapazitäten, verschmutzte Fahrzeuge und andere Schlechtleistungen – erst letzte Woche musste auf einer Linie der Takt von jetzt auf gleich massiv ausgedünnt werden.
Nur die Reaktion kann natürlich nicht ein „Zurück zur Bundesbahn“ sein und das fordert ja auch niemand. Aber man muss bestimmte Dinge eben auch im Kontext sehen. Erinnern wir uns an die Vergabe des Dieselnetzes Südwest, mit dem Netinera bzw. deren Unternehmen Vlexx jetzt so heillos überfordert ist: Damals ging ein Raunen durch Südwestdeutschland. Da soll ein ganzes Netz „privatisiert“ werden, die „Bundesbahn“ wird vom Hof gejagt. Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) forderte gar, man möge das Netinera-Angebot DB Regio zeigen und fragen, ob die den gleichen Preis machen. Das mag man in die Kategorie politischer Gruselmeinungen abtun, aber in der jetzigen Situation fragt man sich im Saarland sicher, ob es denn richtig war, hier jemand anderen als DB Regio, eine „Privatbahn“ zu beauftragen.
Die Antwort ist auch klar: Ja, war es. Nicht aus Sympathie, sondern weil es eine ordnungsgemäße Ausschreibung gab, in der Netinera sich durchgesetzt hat. Muss der Aufgabenträger sich trotzdem fragen, was man falsch gemacht hat? Aber selbstverständlich! Gerade hier liegt nämlich ein umfassendes Versagen auf Seiten der Besteller vor. Es fängt bereits damit an, dass man offensichtlich nicht in der Lage war, sich die Seriosität und die Kalkulation des Angebotes anzugucken.
Was glaubten die Herrschaften bei Netinera eigentlich, wo die Mitarbeiter herkommen sollten? Dass die örtlichen Hartzämter quasi einen unbegrenzten Nachschub immer neuer Leute liefern würden, reicht als Kalkulation nicht? Auch die Annahme, dass alle oder zumindest sehr viele Leute von DB Regio wechseln ist aufgrund aller praktischen Erfahrungen nicht realistisch. Irgendwas muss man also tun, um an Personal zu kommen und während der Vorbereitungen zur Betriebsübernahme muss das kontrolliert werden. All das ist in Rheinland-Pfalz nicht passiert, weswegen hier ein Versagen der Aufgabenträger vorliegt.
Siehe auch: Netinera: Vlexx produziert erneut Zugausfälle