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Neue Debatte um Personalübernahme

01.06.15 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) möchte dem Wunsch der Deutschen Bahn entsprechen und das Vergaberecht ändern: Bei Ausschreibungen im Eisenbahnwesen sollen die neuen Betreiber künftig gezwungen werden, alle Mitarbeiter mit lebenslanger Besitzstandswahrung zu übernehmen, die vom Altbetreiber dem Ausschreibungsobjekt zugeordnet werden.

Beim Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) hat man eine solche Forderung bereits im letzten Jahr abgelehnt. Dessen Vorstandssprecher Martin Husmann schrieb damals in der VRR-Publikation Spektrum: „Ein solcher Personalübergang brächte schlimmstenfalls den erfolgreichen Wettbewerb um die Betriebsleistungen zum Erliegen und trüge nachhaltig zu einer Schwächung der DB-Konkurrenten bei. Ein Szenario, das es im Interesse des SPNV-Wettbewerbs und der Nahverkehrskunden in NRW zu verhindern gilt.“

Ohne die Grundsätze der Vertraulichkeit zu verletzten verwies er zudem darauf, dass DB Regio nur bei einer der letzten sechs Ausschreibungen bis Sommer 2014 die höchsten Personalkosten hatte und diese Vergabe zudem für sich entschieden hat.

Dennoch wird von den Vertretern des DB-Konzerns immer wieder, teilweise direkt, teilweise auf informellen Kanälen, das Gerücht gestreut, die Beschäftigten bei DB Regio würden deutlich besser bezahlt und in den Genuss höherer und somit für den Arbeitgeber kostspieligeren Sozialleistungen (welche jedoch nie konkret genannt werden) kommen als die Mitarbeiter bei den Wettbewerbsbahnen.

Dazu müssen einige Sachverhalte genannt werden, die in der öffentlichen Debatte bislang meistens untergehen: Es gibt sowohl einen bundesweiten Rahmentarifvertrag für Triebfahrzeugführer mit der GDL als auch einen Branchentarifvertrag für den SPNV mit der EVG. Diese liegen zwar einige Prozentpunkte unterhalb des DB-Konzerntarifvertrages, in den meisten Fällen ist das jedoch nicht weiter schlimm: Die großen Privatbahnkonzerne haben allesamt Haustarifverträge, die über dem Branchentarifvertrag liegen.

Der letzte Neueinsteiger National Express führt derzeit Verhandlungen mit der GDL und kündigte bereits vor einigen Wochen an, dass man sich vermutlich sehr viel schneller mit den Arbeitnehmervertretern wird einigen können als der DB-Vorstand, der im jetzt zwölften Monat des tariflosen Zustandes mit der GDL in eine Schlichtung eingetreten ist.

Doch es gibt einen weiteren Trick, um die Gehälter im DB-Konzern künstlich hochzurechnen: Dadurch, dass im Konzerntarifvertrag auch regelmäßige Nachtschichten sowie Auswärtsübernachtungen bei Unternehmen wie DB Fernverkehr und DB Schenker Rail abgebildet werden müssen, liegen die Verdienste dort im Schnitt höher. Dazu kommt, dass viele oft von Wettbewerbsbahnen befahrene Nebenstrecken mit frühem Betriebsschluss und nur wenig Verkehr an Sonn- und Feiertagen so strukturiert sind, dass Spät- und Wochenendzuschläge einfach seltener fällig werden als bei DB Regio auf Hauptstrecken, wo der letzte Zug nicht um 21 Uhr, sondern erst weit nach Mitternacht fährt.

Martin Husmann schrieb dazu letztes Jahr: „Nach unserer Auffassung versucht die DB Regio AG mit der Forderung eines angeordneten Betriebsübergangs unter dem Deckmantel der sozialen Verantwortung ihre Personalkosten zu Lasten der im Wettbewerb obsiege den EVU zu entlasten und den fairen Wettbewerb zu verhindern.“

Die gleiche Meinung vertrat in der letzten Woche auch Stephan Krenz, Geschäftsführer bei Abellio, in der FAZ: „Wir lehnen Betriebsübernahmen für Personal ab, da diese zu einer einseitigen Bevorteilung des Altbetreibers, zum Rückgang von Wettbewerb und damit zu steigenden Preisen führen.“ Insbesondere die steigenden Preise würden dann die Beschäftigungsgrundlage verkleinern: Denn bei Leistungskürzungen und Abbestellungen durch den Aufgabenträger lässt sich kein Personalübergang darstellen, da bleibt nur der Personalabbau.

In den tarifvertraglichen Regelungen zum Personalübergang haben jedoch immer zwei Dinge Vorrang: Der Verbleib der betroffenen Beschäftigten beim Altarbeitgeber als auch die Betriebsaufnahme des neuen Netzes für den Betreiber mit Bestandspersonal. Zudem legt der neue Betreiber die Zahl der Beschäftigten fest und nicht der alte. Auch darauf legt Krenz in der FAZ noch einmal großen Wert: Wenn die Zahl der Beschäftigten bis in die Verwaltungsbereiche vorgegeben wird, dann lassen sich Effizienzsteigerungen, produktivere Abläufe und flache Hierarchien nicht darstellen. Die Diskussion darum bleibt also auch künftig spannend.

Siehe auch: German Angst

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