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Was war hier eigentlich los?

11.05.15 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Nach diesem Streik müssen alle Beteiligten in sich gehen und realisieren, was hier überhaupt passiert ist. Im Vergleich zum jetzigen Konflikt wirkt die Situation im Jahr 2007, die zwischen den damaligen Akteuren Hartmut Mehdorn und Manfred Schell ausgetragen wurde, geradezu versöhnlich. Da der Konflikt jetzt deutlich länger dauert als bislang üblich, ist auch die Routine bei allen Beteiligten vorhanden: Es werden Ersatzfahrpläne gemacht, die werden eingehalten, die Leute suchen sich was anderes, bilden Fahrgemeinschaften im Büro oder lösen ihre Verkehrsprobleme so, dass sie auf die Eisenbahn nicht mehr angewiesen sind.

Da ist es fast schon ein Hohn, dass Claus Weselsky öffentlich sagt, es gäbe ja genügend Alternativen für betroffene Fahrgäste. Doch bei näherem Hinsehen stellt man fest: Das stimmt! Mit dieser Aussage hat er recht. Nun wird man es bei der GDL vermutlich nicht hören wollen, ebenso wenig wie im Rest der ÖV-Lobby, aber mit einem Anteil von sieben Prozent Personenverkehr ist die Schiene in der Bundesrepublik Deutschland nur ein Nischenprodukt. Das ist regional anders, das Thema wurde letzten Donnerstag hier behandelt (Stichwort Loslimitierung bei künftigen Vergaben in Metropolregionen). Aber gerade bei der Verkehrsalternative ist das so eine Sache: Denn wenn auf einmal Leistungen im Regionalverkehr ausgedünnt und abbestellt werden, weil die Nachfrage sinkt, dann muss die gleiche GDL plötzlich über Sozialpläne verhandeln.

Denn durch die sich seit Monaten hinziehende Tarifauseinandersetzung wird sich so manch ein Zeitkartenabonnent fragen, wozu er das eigentlich alles braucht, wenn er doch ständig mit dem Auto fahren muss – weil der Streikfahrplan zwar funktioniert, aber eben doch stark ausgedünnt ist. Manch einer lernt die Vorzüge des eigenen Autos dann zu schätzen und bleibt weg. Dieser Streik schadet dem System Schiene erheblich. Nun ist es aber zu einfach zu sagen, dass nur eine der beiden Konfliktparteien einseitig verantwortlich sei. So funktioniert das nicht. In einer so eskalierten Lage gibt es nicht mehr einen Guten und einen Bösen. Im Grunde wäre ein Schlichtungsverfahren jetzt richtig, aber wieso die GDL das nicht will, ist von außen nur schwer nachvollziehbar.

Dennoch fällt es schwer zu glauben, dass die nette Bahn alles tut, um der bösen GDL entgegenzukommen. Diese hat übrigens im letzten Jahr schon einmal einen Streik abgebrochen, als ein neues Angebot kam – das wäre bei Verdi unvorstellbar. Die gleiche Gewerkschaft Verdi übrigens, die gerade im Brandenburger ÖPNV und in diversen Kindergärten unbefristet streiken lässt und bei der selbst Warnstreiks unter 24 Stunden grundsätzlich nicht stattfinden. Es ist an der Zeit, der Deutschen Bahn einfach mal für den Streik-umgang ein großes Kompliment auszusprechen, unabhängig von den Tarifverhandlungen: Wo die Bogestra an Streiktagen den Verkehr einstellt und selbst die Subunternehmerleistungen abbestellt (weil Nullverkehr leichter zu merken ist), wo bei den Stadtwerken Bonn rechtswidrige Blockaden geduldet werden, da tut die Bahn alles, um fahren zu können. Das ist ein gelebter Erfolg der Eisenbahnreform.

Siehe auch: GDL-Streik: Der Morgen nach der Nacht zuvor

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