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Von Vorsatz und Fahrlässigkeit

13.05.15 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Wer von Dortmund-Hörde nach Dortmund-Kruckel fahren will, muss am Hauptbahnhof umsteigen. Der erste Teil der Fahrt geht mit der Eurobahn. Dort steht an den Zugtüren auf großen Aufklebern: „Erst einsteigen – dann bezahlen.“ Der Vertrieb erfolgt über stationäre Automaten im Zug. Wenn der zweite Teil der Fahrt dann mit der S-Bahn von DB Regio passiert, ist das nicht mehr wichtig, denn selbstverständlich gilt der Fahrschein relationsbezogen unabhängig von der Frage, ob man zwischen zwei EVU umsteigen muss. Später aber folgt der Rückweg, von Dortmund-Kruckel geht es zurück nach Dortmund-Hörde, diesmal zuerst mit der S-Bahn von DB Regio. Wer hier ohne Fahrschein einsteigt, auch in dem Glauben, dass man (wie auf dem Hinweg) den Fahrschein im Zug kaufen kann, ist bereits ein Schwarzfahrer.

Nun können Strafrechtler lange und ausführlich darüber diskutieren, ob wirklich Vorsatz vorliegt, denn schließlich liegen die Beförderungsbedingungen ja überall aus. In der ÖV-Branche ist man sich größtenteils einig: Der Nutzer (nicht zu verwechseln mit dem Kunden, denn der Kunde ist ja der Aufgabenträger) muss sich informieren. Und überhaupt, unter der Hand hört man gelegentlich, es sei doch sowieso unglaubwürdig, wenn einer ein Smartphone bedienen kann, nicht aber einen Fahrscheinautomaten. Das ist eine interessante Sichtweise. Vielleicht ist ein Smartphone auch, anders als der Fahrscheinautomat, intuitiv bedienbar. Ja, welche Preisstufe brauche ich denn? Der Münchener, der zu Besuch in Düsseldorf ist, sucht auf einmal die Ringe – die gibt es aber nicht.

Ob Ringe, Waben oder Zonen: Der einzelne Verkehrsverbund hat oft schon hochkomplexe Tarifsysteme und jeder davon sein eigenes. Dabei ist das oft nicht mal der Bosheit geschuldet. Vieles hat sich über die Jahre hinweg aufeinander aufgebaut. Natürlich ist es ein schweres Vabanquespiel zwischen gerechter Preisgestaltung auf der einen und einem durchschaubaren Tarif auf der anderen Seite. Der genannte Münchener Tarif ist beispielsweise richtig kostengerecht. Anders als etwa in Köln, wo vier U-Bahnstationen das Gleiche kosten wie zwanzig (solange man innerhalb der Stadtgrenze bleibt), ist es in München wirklich verursachergerecht. Jedoch: In Köln kann man die Preisgestaltung leicht durchschauen, in München ist das nicht der Fall.

Vielleicht, und ich weiß dass ich jetzt einer Verschwörungstheorie anhänge, spekulieren die Herrschaften im MVV auch darauf, dass sich Auswärtige im Hotel oder am Stadtrand ihr Tagesticket für den inneren Verbundraum kaufen, obwohl sie es eigentlich nicht müssten, nur um sicherzugehen. Aber genau das ist doch der Punkt: Solange es in der Tarifgestaltung so extreme Zugangshürden für Wenigfahrer gibt, wie das aktuell der Fall ist, solange ist das eine der Ursache für den extrem niedrigen Anteil von Bus und Bahn am Modal Split. Und wenn jemand plötzlich vierzig bzw. bald sechzig Euro zahlen soll, weil das Ticket an manchen Automaten bereits entwertet ist, an anderen aber nicht, dann ist der als Fahrgast dauerhaft verloren. Es braucht für die Zukunft auf jeden Fall Formen des intuitiven Zugangs zum ÖV-Gesamtsystem.

Siehe auch: Schwarzfahrer-Entgelt wird erhöht

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