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GDL-Streik: Der Morgen nach der Nacht zuvor

11.05.15 (Allgemein) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Streik der GDL ist am Sonntag zu Ende gegangen. Die ganze Woche über war der Eisenbahnverkehr bei der Deutschen Bahn davon betroffen und je nach Region fielen die Folgen mal stärker und mal schwächer aus. Das hängt zum einen mit der unterschiedlichen Streikbeteiligung im Konzern zusammen (was u.a. mit der Beamtenquote zu tun hat, die regional unterschiedlich ist), zum anderen damit, dass DB Regio in einigen Bundesländern nur noch einer von mehreren Akteuren ist – und Wettbewerbsbahnen nicht bestreikt worden sind.

Während der laufenden Ausstände hat der Bahnvorstand ein Schlichtungsverfahren unter dem früheren brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) vorgeschlagen. Voraussetzung dafür wäre jedoch ein Abbruch des Streiks gewesen. Einen solchen gab es bereits Mitte November. Auch damals hat die GDL einen Streik vorzeitig beendet, weil es ein neues Angebot des Bahnvorstandes gegeben hat. Dabei hakt es gar nicht an den eigentlichen Verhandlungen, sondern es geht noch immer um die Grundlage für die Gespräche: Die Bahn fordert, dass die GDL sich darauf einlässt, keinen anderen Tarifvertrag abzuschließen, als die EVG es tut.

Für die GDL jedoch ist es uninteressant, was die EVG mit dem Bahnvorstand vereinbart, man will unabhängig von anderen für die eigenen Mitglieder einen Tarifvertrag abschließen – allerdings gibt es jetzt bis auf Weiteres keine neuen Streiks, wie am gestrigen Sonntag verkündet wurde. Parallel dazu wird jedoch von der großen Koalition das Tarifeinheitsgesetz weiter vorangetrieben. Es besagt, dass in jedem Betrieb nur die Gewerkschaft berechtigt sein soll, Tarifverträge abzuschließen, die in der jeweiligen Berufsgruppe die Mehrheit der dort Beschäftigten verfügt. Das wäre bei der Lokführern die GDL, bei den Lokrangierführern die EVG. Eine alternative, jedoch inzwischen nicht mehr von der GDL vertretene Argumentation war im Herbst letzten Jahres, dass man mehr als die Hälfte des gesamten Fahrpersonals organisiere: Schließlich hält sich die GDL bei allen nicht ortsfesten Eisenbahnern für zuständig. Somit hätte sie dann wiederum Ansprüche.

Inzwischen kündigt man aber an, gegen das Tarifeinheitsgesetz vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Unterdessen fand die Verbändeanhörung im Deutschen Bundestag statt. Sowohl der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), dessen Mitglied die GDL nicht ist, als auch der Bundesverband Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) sind für das Tarifeinheitsgesetz. DGB-Chef Reiner Hoffmann bezeichnete den Entwurf als „Chance, die Kooperation der Gewerkschaften zu stärken“. Ohne eine gesetzlich fixierte Tarifeinheit sei zu befürchten, dass sich die Tariflandschaft durch den wirtschaftlichen Strukturwandel, insbesondere das Outsourcing bestimmter Arbeitsbereiche, weiter zersplittere, begründete Hoffmann die Haltung des DGB.

Reinhard Göhner von der BDA argumentierte ähnlich: Das Gesetz sei notwendig, denn Tarifkollisionen stellten viele Betriebe vor große praktische Probleme und müssten deshalb „aufgelöst“ werden. Göhner äußerte die Erwartung, dass ein solches Gesetz „Auswirkungen auf die Verhältnismäßigkeit von Arbeitskämpfen“ habe und eine „vorbeugende Wirkung“ entfalten werde. Für das Tarifeinheitsgesetz sprach sich auch Hans-Jürgen Papier, der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, aus: Der Gesetzgeber habe die Pflicht, die durch das Grundgesetz garantierte Koalitionsfreiheit gesetzgeberisch auszugestalten, da die Tarifautonomie ein normgeprägtes und zweckgebundenes Grundrecht sei.

Der Gesetzentwurf zur Auflösung von Tarifkollisionen sei kein Eingriff in die Koalitionsfreiheit im „engeren verfassungsrechtlichen Sinn“, sondern eine Ausgestaltung des Tarifvertragssystems, sagte der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) und sprach sich gegen das Gesetz aus. Außerdem kündigte er an, ebenfalls vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Er sieht einen schweren Eingriff in das Streikrecht und die Koalitionsfreiheit und kritisierte, dass das mehrheitlich bestehende gute Kooperationsklima zwischen den Tarifpartnern durch das geplante Gesetz gestört werde und die Gefahr bestehe, dass die Öffentlichkeit allgemein gegen das Streikrecht mobilisiert werden soll. „Das betrifft dann auch den DGB“, sagte Baum.

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Konflikt zwischen der Deutschen Bahn und der GDL nicht durch ein neues Gesetz zu lösen sein wird. Allerdings ist die Situation in hohem Maße eskaliert, ein Ende ist nicht in Sicht.

Siehe auch: Was war hier eigentlich los?

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