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BaWü: Debatte um Verkehrsvertrag

18.05.15 (Baden-Württemberg) Autor:Stefan Hennigfeld

In Baden-Württemberg wird bereits seit dem Amtsantritt der grün-roten Landesregierung im Frühjahr 2011 darüber diskutiert, ob der Verkehrsvertrag, in dessen Rahmen DB Regio die SPNV-Leistungen im Ländle betreibt, für das Land von Nachteil ist. Der Auftrag wurde ohne Ausschreibung direkt vergeben, DB Regio fährt ein Großteil des Verkehrs mit stark veralteten Silberlingen aus den Beständen der alten Deutschen Bundesbahn. Dieses Rollmaterial erhielt die Deutsche Bahn AG bei ihrer Gründung kostenlos. Soweit die Finanzierung noch nicht abgeschlossen war, wurde diese vom Bundeseisenbahnvermögen übernommen.

Auf Antrag des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) wurde im Jahr 2010 bei der Europäischen Kommission ein Beihilferechtsverfahren angestrengt. Das grün-rote Kabinett hat in der letzten Woche auf Antrag des Verkehrsministeriums entschieden, künftige Zahlungen an DB Regio nur noch unter Vorbehalt leisten zu wollen. Pro Jahr werden über 400 Millionen Euro fällig. Zwei voneinander unabhängige Gutachten kommen mit unterschiedlichen Methoden zu dem Ergebnis, dass der Preis pro Zugkilometer „deutlich überhöht“ sei, so die Landesregierung. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne): „Im Interesse des Landes und der Steuerzahler ist es unsere Pflicht, ungerechtfertigt hohe Zuschusszahlungen aus dem Altvertrag mit der DB nur vorbehaltlich zu leisten, bis die Höhe der Überzahlung geklärt ist.“

Zunächst wurde die Infrastrukturkostenabrechnung („doppelte Dynamisierung“) und deren Entwicklung seit 2006 analysiert. Bis dahin waren die Veränderungen der Infrastrukturkosten durch den pauschalen Erhöhungsbetrag von 1,5 Prozent pro Jahr abgegolten. Von 2007 an wurden von DB Regio jedoch die Ist-Infrastrukturkosten abgerechnet und zusätzlich die Infrastrukturkosten noch einmal mit dem pauschalen Erhöhungssatz von 1,5 Prozent pro Jahr dynamisiert und abgerechnet. Für diese „doppelte Dynamisierung“ ergeben sich Beträge von ca. 2,4 Millionen Euro für das Jahr 2007 und danach jährlich ansteigend bis auf 26 Millionen Euro im Jahr 2016. Ausgehend von einer gleichbleibend durchschnittlichen Zugkilometerleistung bis zum Vertragsende (30. September 2016) errechnet sich über die Gesamtlaufzeit des Vertrages ein Überzahlungseffekt in Höhe von rund 141,5 Millionen Euro.

In der Folgezeit hat das Ministerium seit Ende 2012 die entsprechenden Beträge auch rückwirkend einbehalten. Laufende Zahlungen werden nur noch in verminderter Höhe erbracht. Zudem wurde von beiden Gutachten eine Überkompensation für die Gesamtlaufzeit von 2003 bis 2016 errechnet, die zwischen 700 Millionen und 1,25 Milliarden Euro liegen soll. Bei DB Regio widerspricht man der Darstellung der Landesregierung aufs Schärfste. Andreas Moschinski-Wald, Geschäftsführer von DB Regio in Baden-Württemberg: „Oberstes Ziel aller Beteiligten sollte es sein, den baden-württembergischen Nahverkehr nicht durch weitere Konflikte zu belasten. Nahverkehr braucht Rechtssicherheit. Wenn ein Vertragspartner plötzlich nicht mehr zu seinen Zahlungsverpflichtungen steht, gefährdet das die Grundlage von Investitionen und Arbeitsplätzen. Dies kann von keinem Unternehmen hingenommen werden.“

Der Verkehrsvertrag zwischen DB Regio und dem Land Baden-Württemberg war 2003 nach intensiven Verhandlungen geschlossen worden. Er regelt, zu welchen Bedingungen die Bahn bis Mitte 2016 weite Teile des Nahverkehrs in der Region erbringt. Die vertraglich vereinbarten Zahlungen waren, so DB Regio, „das neutrale Ergebnis einer im Auftrag der Länder erfolgten Untersuchung durch einen Wirtschaftsprüfer, der die erforderlichen Finanzmittel für den deutschen Nahverkehr und den Nahverkehr der einzelnen Länder plausibilisierte.“ Man geht deshalb davon aus, dass der Verkehrsvertrag rechtmäßig geschlossen worden sei und auch die Preisfindung stimme.

Zudem beruft man sich bei DB Regio auf ein Schlichterverfahren, das die Rechtsauffassung des Unternehmens bestätige. Die Landesregierung jedoch lehne dieses Verfahren ab. Auch der VCD, der vor fünf Jahren schon von Überkompensation sprach, hat sich nun zu Wort gemeldet. Der Landesvorsitzende Matthias Lieb lobt das Vorgehen der Landesregierung. Aus VCD-Sicht sei deutlich geworden, dass die damalige Landesregierung bewusst einen ungünstigen Vertrag in Kauf genommen habe, um die DB zu bewegen, das Projekt Stuttgart 21 weiterzuverfolgen. Dies sei aber als „versteckte Beihilfe“ unzulässig. Nun bleibt abzuwarten, wie die Sache weitergeht.

Siehe auch: Rechtsfrieden und Preisrecht

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