Konstantes Investitionsvolumen sichern
20.04.15 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Wenn die deutsche Bahnindustrie davor warnt, dass das Investitionsvolumen im Infrastruktursektor problematisch ist, dann spiegelt das auch den erheblichen Investitionsstau im Schienenbereich wider. Es ist gerade nicht so, dass das Marktvolumen sinkt, weil ein großes Investitionsprogramm gerade abgeschlossen wurde, sondern im Gegenteil: Die Infrastruktur, übrigens nicht nur im Schienensektor, ist in Deutschland in einem oft desolaten Zustand und die Finanzierungsfragen sind größtenteils ungeklärt.
Bei aller (berechtigter) Kritik an der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und DB Netz, so hat man hier zumindest eine verlässliche Geldquelle. Wobei auch hier Ungemach droht, immerhin ist das Geld größtenteils aus der Bahndividende für die LuFV geplant und nach dem jüngsten Gewinneinbruch des Konzerns bleibt abzuwarten, ob der Bund bereit ist, das aus dem Haushalt aufzubringen. Allen praktischen Erfahrungen zufolge wird das nicht der Fall sein. Ob Wolfgang Schäuble (CDU) als Bundesfinanzminister der Haushaltsdisziplin oder der desolaten Infrastruktur in die Geschichtsbücher einzieht, weiß ich nicht.
So sehr Haushaltsdisziplin zu befürworten ist, so wenig darf man einen schuldenfreien Haushalt erkaufen, indem man die öffentliche Infrastruktur dafür nicht ausreichend instand hält. Denn gerade die ist notwendig, um auch morgen noch Wirtschaftswachstum generieren und die Steuereinnahmen dadurch sichern zu können. Und die Bahnindustrie macht ja gerade vor, dass Bau und Betrieb von Infrastruktur nicht nur Geld kosten, sondern auch selbst für Unternehmensgewinne, Beschäftigungssicherung und lukrative Tarifabschlüsse sorgen. Zur Erinnerung: Die Bahnindustrie wendet den Metallertarifvertrag an, den höchsten und bestbezahlten, den es in Deutschland gibt.
Wobei es natürlich auch bei DB Netz, trotz einer höheren neuen LuFV, einen erheblichen Investitionsbedarf gibt. Noch immer gibt es Bahnübergänge mit eigenem Schrankenwärter (wer kennt nicht das legendäre Youtube-Video mit Schrankenwärter Laumann?) oder auch vollmechanische Stellwerke. Man mag es sich kaum ausdenken, auch heute noch werden manche Weichen dadurch gesteuert, dass einer riesige Hebel hin- und herschiebt. Hier muss sich was tun, denn die Eisenbahn, die mal der Inbegriff für Fortschritt und Innovation war, darf nicht zur musealen Nostalgieveranstaltung werden.
Das gilt in ähnlicher Form auch für den Stadtbahnbereich. Hier gibt es in den nächsten Jahren erheblichen Sanierungsbedarf, aber nicht mal eine ansatzweise finanzielle Klärung. Und Nein, auf keinen Fall kann man den Unterhalt von Stadtbahntunneln oder aufwendigen oberirdischen Ingenieurbauwerken den Kommunen überlassen. Das können diese nicht leisten und darüber hinaus waren es in der Zeit der autogerechten Städte auch Bund und Länder, die die Tram vergraben wollten. Es ist nun an der Zeit, die Notwendigkeit der Infrastrukturinvestitionen auch in Berlin und den Landeshauptstädten offensiver anzusprechen. Im Moment jedenfalls ist der ausgeglichene Bundeshaushalt erkauft und kein Produkt hoher Haushaltsdisziplin.
Siehe auch: Bahnindustrie mit Umsatzrekord 2014