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Keine Unterkompensation, Nein zu Dumping!

16.03.15 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Tenor dessen, was der VDV regelmäßig verbreitet, ist, dass es im deutschen ÖV-Wesen überhaupt keine Probleme gäbe. Alles sei nahezu perfekt. Einzig die himmelschreiende Untersubventionierung mache Probleme. Unabhängig davon, dass es im Gesamtsystem neben objektiv vorhandenen Finanzierungsproblemen auch ebenso objektiv vorhandene Mentalitätsprobleme der hochrangigen Branchenakteure gibt, so ist es ein Widerspruch, wenn sich ausgerechnet der VDV in seinen verschiedenen Positionspapieren gegen ein Unterkompensationsverbot in der Kofinanzierung durch die öffentliche Hand ausspricht.

Hier sieht man verschiedene strukturelle Vorteile alteingesessener Unternehmen in Gefahr. Die Querfinanzierung aus dem Stadtwerkeverbund, also Gelder, die nicht dem wirtschaftlichsten Betreiber zur Verfügung stehen, sondern nur dem Monopolisten. Wie verlässlich das ist, machen die insolventen Stadtwerke Gera gerade vor. Oder in Völklingen im Saarland, wo die Stadtwerke jüngst mehrere Millionen Euro beim Aufbau einer kommunalen Fischzucht verbrannt haben, offensichtlich haben die im Saarland Angst vor einer Hungersnot und wollten für die Nahrungsversorgung eine „politische Lösung“ haben.

Dabei haben wir es also mit mit einer unzuverlässigen Finanzierungsquelle zu tun, die das Gegenteil dessen ist, was man regelmäßig fordert, nämlich langfristige Sicherheit. Wenn bei den Stadtwerken Essen die gesamte mittelfristige Finanzplanung implodiert, weil der Aktientauschdeal mit RWE zwar ganz lustig war, aber niemand eine sinkende Dividende erahnen konnte, dann hat das Auswirkungen auf alle 38 Tochter- und Beteiligungsgesellschaften, inklusive der EVAG. Nein, es braucht eine verlässliche, auskömmliche Kofinanzierung durch die öffentliche Hand.

Dazu gehört auch, dass jeder einzelne Fahrzeugkilometer aus der Kombination Markteinnahmen Plus Zuschuss für sich tragfähig ist. Das gilt ebenso im SPNV, auch hier muss der Aufgabenträger im Interesse des Gesamtmarktes sicherstellen, dass es keine Dumpingangebote und Unterkostenpreise gibt: Weder bei DB Regio, die die Möglichkeit haben, mit hohen Gewinnen aus (faktisch) direkt vergebenen Netzen Kampfpreise an anderer Stelle quer zu finanzieren, aber auch nicht bei anderen Betreibern, die mit „politischen Preisen“ in den Markt drängen.

Zum einen ist ruinöser Wettbewerb auf lange Frist für alle schädlich, zum anderen drohen erhebliche Probleme, wenn so ein Dumpingpreisanbieter auf einmal Insolvenz anmelden muss. Oder wenn an der Qualität gespart werden muss, weil es einfach keine auskömmliche Finanzierungsgrundlage gibt? Nein, die Aufgabenträger sind gut beraten, auch bei den jetzt anstehenden Vergaben sicherzustellen, dass die Preise glaubwürdig sind. So wie es die LNVG vor einigen Jahren im Elektronetz Hanse getan hat. Dort hat DB Regio es abgelehnt, die Kalkulationsgrundlage für ein extrem niedriges Angebot offenzulegen. Selbstverständlich ist das legitim. Aber wenn sich der ernsthafte Verdacht auf Preisdumping nicht ausräumen lässt, muss der Aufgabenträger gegensteuern: Im Interesse aller Akteure.

Siehe auch: Preisfindung im SPNV: Was ist gut, was ist schlecht?

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