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Der fränkische Paukenschlag

05.02.15 (Bayern, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Bislang werden alle großen S-Bahnnetze in Deutschland von DB Regio bzw. einer eigenen Konzerngesellschaft betrieben. Ja, die Regio-S-Bahn Bremen ist in der Hand der Nordwestbahn, bei einem im Stundentakt fahrenden RB-Stern kann man aber von einer S-Bahn im klassischen Sinne nicht sprechen. Auch die Düsseldorfer Regiobahn ist nur eine Linie, auch wenn diese ein Paradebeispiel für eisenbahnpolitischen Erfolg ist. Was aber jetzt in Nürnberg passiert, hat eine neue Qualität. Aber auch so funktioniert es, wenn in einem ehemaligen staatlichen Monopolbereich Marktwirtschaft eingeführt wird.

Dass aber beide Lose an National Express gehen ist doch überraschend, gerade auch bei dem, in dem Gebrauchtfahrzeuge zugelassen waren, sodass DB Regio die E-Talent 2 hätte weiternutzen können. Aber bevor jetzt das große Wehklagen beginnt: Es gibt in der Deutschen Bahn einen funktionierenden konzerninternen Gebrauchtfahrzeugmarkt, niemand muss sich Sorgen machen, dass diese guten Züge demnächst auf dem Schrottplatz landen. Solange DB Regio einige Leistungen noch immer mit Silberlingen fährt (in Baden-Württemberg mehr, woanders weniger), wird sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Ersatzbeschäftigung finden. Im Übrigen heißt es doch immer, dass die Betreiber die Investitionsrisiken übernehmen sollen und nicht die öffentliche Hand in Form der Aufgabenträger. Ja, so ist das jetzt gekommen. Und realistischerweise wird DB Regio es sehr kurzfristig schaffen, irgendeinem deutschen Aufgabenträger diese Züge anzudrehen mit Argumenten wie „Werte nutzen, die schon da sind“ und ähnlichem.

Anders sieht das bei den betroffenen Mitarbeitern aus, hier greift schon wieder das altbekannte Schema: Bei jedem Ausschreibungsverlust wird die Arbeitsplatzkarte gespielt. Es ist daher jetzt auch die Chance für National Express zu zeigen, dass man Leuten, die DB Regio verlassen, im großen Stil eine Chance gibt. Wobei man auch hier abwarten muss, wer denn den Verbleib im Konzern vorzieht. Ob Demografietarifvertrag oder was auch immer es dort für Vorzüge gibt, die kann ein privates Unternehmen eben nicht bieten. Deswegen darf man hier richtig gespannt sein.

Übrigens, wenn hier einige Politiker fordern, die Entscheidung solle aufgehoben werden, dann ist das zutiefst besorgniserregend. Im Saarland ist ja nach der Ausschreibung des Dieselnetzes Südwest ähnlich passiert und offensichtlich haben hier einige Herrschaften überhaupt nicht verstanden, was Sinn und Zweck einer Ausschreibung ist und wie eine solche funktioniert (auch wenn es jetzt im konkreten Fall eine freihändige Vergabe war, so doch zumindest keine Exklusivverhandlung). Jetzt so zu tun, als wäre alles nur ein Scherz gewesen wäre ein fatales Signal, ist aber im Freistaat Bayern auch unwahrscheinlich. Ein Theater wie in Sachsen-Anhalt oder im Saarland ist das eine, in Bayern gehen die Uhren anders. Bei einem ganzen S-Bahnnetz, das jetzt bald privat gefahren wird, darf man gespannt sein. Die Eisenbahn ist eben nicht nur die DB und, fast auf den Tag genau vier Jahre nach dem Abellio-Urteil, ist Musik im Markt.

Siehe auch: National Express soll S-Bahn Nürnberg betreiben

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