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Qualitätskriterien im 21. Jahrhundert

15.01.15 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Stellung der Schiene im Wettbewerb der Verkehrsträger hat sich bis heute nicht von den Folgen der Massenmotorisierung der jungen Bundesrepublik erholt. Bundesweit im Durchschnitt spielen Bus und Bahn nur eine untergeordnete Rolle – aber nicht so in Metropolen wie Frankfurt am Main. Mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil am Modal Split von 28 Prozent im innerstädtischen Verkehr sieht es in Frankfurt am Main besonders gut aus und diese Stellung gilt es zu verteidigen. Da sind eine ganze Reihe an Qualitätskriterien zu erfüllen, die im modernen ÖPNV einfach Standard sind.

Dazu gehören etwa Klimaanlagen (in Berlin verzichtet man auch bei neuen Fahrzeugen darauf, aber dort gehen die Uhren ja bekanntlich sowieso anders), umfassende Fahrgastinformationssysteme und eben die Regelungen zur Barrierefreiheit. Die sind im zum 1. Januar 2013 novellierten Personenbeförderungsgesetz sogar fest verankert, im Prinzip darf niemand mehr eine Konzession kriegen, der die Regelungen zur Barrierefreiheit nicht erfüllt. Gerade im Massenverkehr in den Metropolen darf es hier auch keine Ausnahme geben – zumal es oft ja nicht nur eine Frage der Finanzierung ist, sondern auch mit langfristigen Fehlentscheidungen über die Jahrzehnte zu tun hat. Wieso gibt es in manchen Stadtbahnsystemen verschieden hohe Bahnsteige? Wieso kann man sich im Jahr 2015, in dem Glühbirnen verboten und Kaffeemaschinen gesetzlich reguliert sind, nicht auf europaweite Standards zur Bahnsteighöhe einigen, die dann sowohl im kommunalen Schienenbereich wie auch bei der großen Eisenbahn zu gelten haben, selbstverständlich inklusive stufenfreien Zugängen.

Ein Aufzug ist eine Selbstverständlichkeit und zwar ein funktionierender Aufzug. Wenn, um nochmal nach Berlin zu gucken, die Berliner Verkehrsbetriebe damit rühmen, einen demolierten Aufzug in zehn Monaten zu reparieren, dann ist ein Grad der Realsatire erreicht, über den man nicht mal mehr lachen kann. Wo blieb da der Aufschrei all derer, die in anderen Bereichen ständig Ansprüche stellen? Es ist schon bemerkenswert, wie unterschiedlich bei einigen Leuten die Wahrnehmung des Ganzen ist. Ein einfaches Beispiel: Wenn die Essener Verkehrs AG bei Facebook damit kokettiert, dass man die gesetzlichen Regelungen zur Barrierefreiheit nicht erfüllen wird, weil man leider vorne und hinten untersubventioniert ist, dann finden das zwar alle traurig, aber das arme Unternehmen kann ja nichts dafür.

Wenn allerdings Fernbusse die Regelungen zur Barrierefreiheit nicht erfüllen, dann forderte jüngst der Deutsche Bahnkundenverband eine Aufhebung der Konzession. Ohne Barrierefreiheit darf keiner fahren. Eine Anfrage bei den gleichen Leuten, wie die denn die Tatsache sehen, dass die IRE-Züge der Deutschen Bahn, die mit stark veraltetem Rollmaterial gefahren werden, ebenfalls nicht barrierefrei sind, hieß es lapidar, dass man das in dieser Preiskategorie ja wohl nicht erwarten könne. Die Wahrnehmung unterscheidet sich also doch erheblich – aber Fahrgäste mit Mobilitätseinschränkung haben davon nichts. Sie brauchen, zu Recht, schnell einen barrierefreien ÖPNV!

Siehe auch: FFM: VGF und TraffiQ arbeiten an Barrierefreiheit

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