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Eher arm als sexy

15.12.14 (Berlin, Kommentar) Autor:Max Yang

Eine ereignisreiche Woche ist für die Bundeshauptstadt Berlin zu Ende gegangen. Der langjährige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), in dessen Ägide unter anderem eine jahrelange Pannenserie bei der Berliner S-Bahn sowie das spektakuläre Scheitern des Flughafenbaus in Schönefeld für internationale Negativpresse sorgten, wurde durch den ehemaligen Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) ersetzt. Wowereit prägte unter anderem die Beschreibung „arm, aber sexy“ für Berlin. Nun muss man fairerweise zugeben, dass ein großer Teil der Schulden bereits durch die CDU-geführten Regierungen vor ihm generiert wurde. Trotzdem ist das Funktionieren der Stadt unter seiner Verwaltung nicht durchgängig besser geworden.

Ein Beispiel: Ein durch Silvesterfeuerwerk beschädigter Aufzug am U-Bahnhof Bülowstraße war erst 10 Monate später wieder in Betrieb. In der Pressemitteilung heißt es: „Die Bauabteilung der BVG hat mit Hochdruck daran gearbeitet, den Fahrgästen so schnell wie möglich wieder einen barrierefreien Zugang zum Bahnsteig zu ermöglichen. Inklusive aller Vorplanungen, vergaberechtlichen Schritte und Genehmigungsverfahren konnte das Projekt in nur gut zehn Monaten realisiert werden.“ Bei einem Auftragswert von knapp 200.000 Euro wird also seitens des Verkehrsunternehmens penibel darauf geachtet, das Vergaberecht einzuhalten, auch wenn dies drei Monate Verzögerung bei der Wiederinbetriebnahme bedeutet.

Bei langjährigen Verkehrsverträgen geht es um wesentlich mehr Geld – dennoch entscheidet sich das Land Berlin immer wieder für (im Falle der BVG offene, im Falle der S-Bahn offenbar verkappte) Direktvergaben, die dann als Arbeitsplatzsicherung und politische Lösung schöngeredet werden. Wenn es aber mal um das Interesse der Fahrgäste an einer schnellen Wiederaufnahme des barrierefreien Zugangs zu einem U-Bahnhof geht, ist eine „politische Lösung“, sprich Umgehung des Wettbewerbs natürlich unmöglich. Eine wirtschaftliche Verwendung der Mittel für den ÖPNV steht hingegen nicht zur Debatte. Vielleicht würde ja bei einer fair durchgeführten Ausschreibung auffallen, dass der Kaiser nackt ist bzw. das bisherige Preis-Leistungs-Verhältnis in Bezug auf den ÖPNV suboptimal.

Es ist seltsam, wie sehr man sich dagegen wehrt, dass sich städtische und stadtnahe Unternehmen an der Qualität und Preisleistung mit Privaten messen müssen. Mehr Leistung zum gleichen Preis wäre für die wachsende Stadt Berlin dringend nötig. Die DB stellt sich dem Wettbewerb, was ihr gut tut. Viele ihrer Automaten akzeptieren sogar Kreditkarten für VBB-Fahrkarten, während viele stationäre Automaten der BVG lange keine neuen Scheine nahmen, geschweige denn Kreditkarten. Das Problem ist letztlich zu viel Klüngelwirtschaft und zu wenig Kontrolle. Wenn öffentliche Verkehr Daseinsvorsorge sein soll, kann man nicht gleichzeitig Unternehmen eine unkontrollierte Eigenwirtschaftlichkeit andienen, nur weil sie alteingesessen sind. Den ÖPNV von arm auf sexy umzustellen, dürfte eine Aufgabe für Jahrzehnte sein. Aber zuallererst muss jemand den Anfang machen.

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