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Der Kampf um die öffentliche Meinung

10.11.14 (Allgemein) Autor:Max Yang

Der Megastreik ist zu Ende und das glücklicherweise sogar bereits am Samstag Abend. Doch der Kampf um die öffentliche Meinung wurde in diesen anstrengenden Tagen deutlich offensiver ausgetragen als in vorangegangenen Streiks. Die Presse veröffentlichte Telefonnummern aus der GDL-Hauptverwaltung. Auch die Bürodurchwahl des Bundesvorsitzenden Claus Weselsky wurde veröffentlicht – ebenso ein Bild seines Wohnhauses. Daneben kam auch seine geschiedene Frau mit der Behauptung zu Wort, Weselsky habe sich während seines Aufstiegs vom Lokführer zum Gewerkschaftsboss negativ verändert und habe es ihr untersagt, Weine zu einem Preis von unter 25 Euro pro Flasche zu kaufen, da dies nicht mehr seinem Status entspräche. Die Reaktion der Streikenden: Bei einer Demonstration am Bahntower werden Schilder gegen die (gefühlte oder tatsächliche) mediale Schmähkritik von Bild und Focus hochgehalten. Man erkennt aber auch Slogans wie „Schell Halt’s Maul“ oder „Bundestagsverbot“ sowie Schilder, die sich gegen SPD und die Konkurrenzgewerkschaft EVG aussprechen.

Auf Facebook explodierte geradezu die Anzahl von Gruppen und Seiten mit Titeln wie „Gegen die nervigen Streiks der GDL und ihre Propaganda“. Schnell waren überfleißige GDL-Mitglieder zur Seite, die ihre Positionen darlegten, und kaperten mit ihrer Aktivität einige Gruppen. Auch ein Fake-Account mit dem Titel „Claus Weselsky“ auf Twitter und mehrere Seiten mit dem Titel „Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer“ selbst entstanden auf Facebook. Besondere Rätsel gibt hierbei der dortige Auftritt http://www.facebook.com/GDLDE auf. Nach Auskunft der GDL-Pressesprecherin Gerda Seibert gegenüber der Zughalt-Redaktion betreibe die GDL-Zentrale keinen offiziellen Facebook-Auftritt (obwohl auf GDL.de schon seit langem auf eine andere Facebook-Seite, nämlich „GDL stauner“ verwiesen wird). Einige der Posts auf dem Auftritt GDLDE berichteten Details aus dem Verfahren und verspotten die Arbeitsgerichtsbarkeit in Frankfurt (O-Ton: „DIE RICHTERIN UND DER KUSCHELTEDDY: Gääääähn, es wird spät heute. Gerade wird der richterliche Teddy herausgeholt, denn Frau Schmidt möchte gerne bald in`s Bettchen ;).“).

Andere Posts lassen sich über empörte Fahrgäste aus oder berichten, dass Kunden-Beschwerdeanrufe von der GDL an den Bahnvorstand weitergeleitet worden wären. Wieder andere Beiträge sind namentlich mit Gerda Seibert gezeichnet, etwa eine am 1. November veröffentlichte Ankündigung eines unbefristeten Streiks ab dem Montag, 3. November, welcher nicht eingetreten ist. Auf eine Anfrage von Zughalt.de diesbezüglich wurde bis Redaktionsschluss nicht reagiert. Da dort aber im Impressum die Kontaktdaten der „echten“ GDL angegeben sind und diese sich auch nicht juristisch zur Wehr zu setzen scheint, ist es zumindest sehr wahrscheinlich, dass es sich hier um eine Art „semioffiziellen“ Auftritt handelt, der mit seinem provokanten Duktus eine gewisse Mobilisierungswirkung entfalten soll. In Anbetracht der Antworten auf die Posts auf dieser GDL-Seite scheint das auch sehr gut zu gelingen. Empörte Kunden werden von der Vielzahl der Streikunterstützer schnell niedergeschrien.

Bei der Bahn hingegen wird eine Service-Offensive gefahren, auf die man stolz ist. Freitagvormittag in Berlin gab es einen Ortstermin am Salzufer in Tiergarten, wo DB Dialog 550 Mitarbeiter beschäftigt. In dem etwas in die Jahre gekommenen Bürogebäude befinden sich unter anderem die Hotlines und auch das Social-Media-Team. Kurzfristig wurde erneut eine kostenfreie Hotline geschaltet wie auch beim Unwetter und Hochwasser der letzten Jahre. Das Anrufvolumen ist massiv mit anfangs bis zu 50.000 Anrufen pro Stunde. Viele Freiwillige hätten sich auch aus dem Urlaub holen lassen und sich bereit erklärt, das Team des Kundenservices zu unterstützen. Während des Streiks sind bis auf bahn.bonus comfort-Service und Mobilitätsservice die anderen Dienstleistungen nicht verfügbar, stattdessen werden alle verfügbaren Kräfte auf die kostenfreie Streikhotline konzentriert. Förmliche Regelwerke seien teilweise außer Kraft gesetzt. Schaut man sich in der Etage um, ist die Stimmung relativ angenehm, die Call-Center-Agenten und am Tisch des Teamleiters – der übrigens sofort nach dem Schulabschluss im Call-Center angefangen habe und durch kontinuierliche Förderung aufgestiegen sei – könne sich jeder Mitarbeiter am ausliegenden Obst und den Süßigkeiten bedienen. Der Betriebsrat dort wird übrigens größtenteils von der EVG dominiert, aus „historischen Gründen“, wie es heißt.

Siehe auch: Eisenbahn außer Kontrolle
Siehe auch: Volle Breitseite im GDL Streik

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