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Vertrieb neu denken

01.10.14 (Kommentar) Autor:Max Yang

An dieser Stelle habe ich bereits in einer vergangenen Ausgabe das Problem diskutiert, dass die Verkehrsunternehmen den Vertrieb teilweise stiefmütterlich betreiben. So findet man bei den Berliner Verkehrsbetrieben mehr als ein Jahr nach der Vorstellung der zweiten Serie der Euro-Scheine noch stationäre Automaten, die bisher nicht umgerüstet wurden und die neuen Scheine nicht akzeptieren. Aber immerhin akzeptiert man dort auch girocard, während die Dortmunder DSW21 viele Automaten hat, welche nur Bares oder die kaum verbreitete GeldKarte nehmen. Die Stuttgarter SSB hingegen akzeptiert an ihren Automaten sogar Visa und zeigt sich hiermit auch für internationale Kunden offen.

Doch der Wettbewerb im Vertrieb ist schwach, sodass der zahlende Kunde nicht überall einen besonders hohen Standard erwarten kann. Der Kunde hat Glück, wenn an einem Ort Automaten zweier verschiedener Verkehrsunternehmen stehen und er in Dortmund Hbf seine VRR-Fahrkarte dann eben bei der DB mit girocard lösen kann. Kurios ist dennoch, dass der eine unpopuläre Zuschlag bei der Deutschen Bahn – der Bedienzuschlag für Sparpreise – wegfällt, nur um Platz für einen neuen Kreditkartenzuschlag zu machen. Zwar mag maximal 1% des Kaufpreises gering wirken, aber es hinterlässt eben doch einen Beigeschmack, zumal gerade ausländische Kunden oft kaum eine Alternative haben und die Deutsche Bahn sich selbst gern als Premiumprodukt sieht, während Fernbusunternehmen keinen Kreditkartenzuschlag verlangen. Selbst BahnCard-Kreditkartennutzer werden wohl geschröpft.

Werfen wir aber mal einen Blick über den Kanal nach Großbritannien, dessen eigenwillig strukturiertes Eisenbahnwesen oft (gern auf Grundlage alter Klischees) belächelt, aber in der Fachwelt durchaus auch respektiert wird. Zwar gibt es dort durch die Vergabe von Teilnetzen in Nah- und Fernverkehr ebenso regionale Quasi-Monopole wie hierzulande. Aber man ist dem als Fahrgast eben nicht ausgeliefert. Alle Eisenbahnverkehrsunternehmen sind dem Rail Settlement Plan, einem einheitlichen System des Branchenverbandes ATOC (Verband der Eisenbahnverkehrsunternehmen) angeschlossen, welches durchgehende Buchungen und Reservierungen garantiert.

Es existiert ein diskriminierungsfreier Zugang zum gemeinsamen Vertriebssystem, und Unsitten wie Kreditkartenentgelte oder überzogene Portokosten sind durch den intensiven Wettbewerb zwischen den verschiedenen Unternehmen, die in etwa die selbe Produktpalette auch für andere Eisenbahnen im gesamten Land verkaufen, kaum durchsetzbar. Hierzulande hingegen verkaufen NE-Bahnen maximal Nahverkehrsfahrkarten außerhalb ihres Stammgebietes. Die Politik müsste hier attraktivere Wettbewerbsbedingungen schaffen. Man könnte die Diskussionen um die wettbewerbliche Vergabe des Vertriebs und das laufende Verfahren des Bundeskartellamtes gegen die DB in Bezug auf den Fahrkartenvertrieb zum Anlass nehmen, um hier eine neue Marktordnung zu schaffen. Es geht schließlich darum, für zahlende Fahrgäste attraktiv zu sein und das umweltfreundliche Verkehrsmittel Eisenbahn zu stärken.

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