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VDV legt Positionspapier zum vierten Eisenbahnpaket vor

27.10.14 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Mit der Arbeitsaufnahme der neuen Europäische Kommission liegt auch das Thema viertes Eisenbahnpaket wieder auf dem Tisch und wird in den kommenden Jahren wohl ein zentraler Bestandteil sein. Dieses hat in der aktuellen Planung zwei Teile: Einen (weitgehend) unumstrittenen technischen und einen politischen, bzw. marktrelevanten Teil, der hochgradig kontrovers diskutiert wird. Gelegentlich wird ins Feld geführt, dass man die beiden Teile entkoppeln solle. Das würde jedoch wahrscheinlich dazu führen, dass der politische Teil dauerhaft auf die lange Bank geschoben wird und bis auf weiteres von der Agenda wäre.

Nun hat sich der VDV in einem neuen Positionspapier umfassend geäußert und fordert zahlreiche Abmilderungen in den Planungen. Ein wesentlicher Punkt ist dabei die unabhängige Vertriebssituation der verschiedenen Unternehmen. Einen Zentralvertrieb lehnt man explizit ab. „Bei der Gestaltung integrierter Durchgangsfahrscheinsysteme müssen die unternehmerischen Interessen der EVU in den Mitgliedstaaten respektiert und vorhandene Systeme dezentral miteinander gekoppelt werden“ heißt es dort. Im Klartext müssen dann alle „kleinen“ Betreiber sich dem Diktat des großen unterwerfen. In Staaten wie Großbritannien, in denen es einen eingeschwungenen Markt gibt, lassen sich hier wettbewerbliche Effekte erzielen, in Deutschland mit einem faktischen Monopolisten profitiert dieser erheblich.

Stichwort Monopolist: Der VDV spricht sich auch gegen eine obligatorische Trennung von Netz und Betrieb, nicht aber gegen die Pflicht zur getrennten Rechnungslegung aus (wie sie im DB-Konzern bereits Alltag ist) und unterstützt zudem die Bündelung der Kompetenzen bei den Regulierungsbehörden. Ob da auch die diskutierte Forderung zugehört, Vergabebeschwerden im Eisenbahnwesen nicht mehr bei den jeweils regional zuständigen Vergabekammern, sondern bei der nationalen Regulierungsbehörde (in Deutschland die Bundesnetzagentur) zu verhandeln, wird nicht ausdrücklich kommentiert. In diesem Zusammenhang sei an die gescheiterte Ausschreibung des Bitterfelder Kreuzes in Sachsen-Anhalt erinnert. Die Vergabekammer Halle (Saale) brauchte fast ein Dreivierteljahr um zu entscheiden, dass die Angebote neu bewertet werden müssen. Abellio Rail Mitteldeutschland lehnte eine Bindefristverlängerung dann ab, DB Regio erhielt als ursprünglicher Ausschreibungsverlierer dennoch den Auftrag, muss aber mindestens ein Jahr Ersatzverkehr fahren und dazu Rollmaterial aus DDR-Beständen nutzen.

Als politische Konsequenz böte sich eine Verlegung von Vergabebeschwerden zentral an die Bundesnetzagentur geradezu an, jedoch thematisiert der VDV das nicht weiter. Umso meinungsfreudiger ist man bei der Finanzierung öffentlicher Verkehrsmittel. In der Diskussion steht ein sogenanntes „Unterkompensationsverbot“, das eine auskömmliche Finanzierung der Leistungen sicherstellen soll. Gelder, die nicht am Markt erwirtschaftet werden können, sollen durch den Aufgabenträger kompensiert werden müssen. Das sieht man beim VDV kritisch und warnt davor, dass die Querfinanzierung in den Stadtwerkekonzernen gefährdet werden könne, bei dem die Einnahmen aus der Ver- und Entsorgung die Verluste aus dem Verkehr finanzieren und somit auch noch den Gewinn und entsprechend die Steuerlast senken. Trotz der diesem System inhärenten Volatität oder des aktuellen Beispiels der insolventen Stadtwerke Gera will der VDV dieses Modell schützen.

Änderungen an der Vergabeverordnung lehnt man vor 2019 generell ab. Allerdings will man, wie seit Jahren, die Direktvergabe weiterhin ermöglichen. In der aktuellen Verordnung ist eine solche Option enthalten, die jedoch entfällt, wenn die Direktvergabe nach nationalem Recht untersagt ist. Mit dem Abellio-Urteil ist in Deutschland klar, dass für die Vergabe von Eisenbahnleistungen das Vergaberecht zur Anwendung kommen muss. Dass dieses über weite Strecken genau die Tatbestände bereits kennt, mit denen der VDV für eine Gesetzesänderung im Eisenbahnwesen argumentiert, lässt der Verband jedoch außen vor. Man verweist auf bereits bestehende Verbandspapiere, in denen man, ausgehend von der Debatte im Vorfeld des Abellio-Urteils, umfassende Stellungnahmen abgegeben hat. Dabei bleibt es ein ständiges Ränkespiel zwischen Behörden, Bestellern und Betreibern. Der B2B-Charakter der Eisenbahn scheint sich zu manifestieren und auch beim VDV sieht man eine aktivere Rolle des Endkunden im System erkennbar nicht.

Siehe auch: Ordnungspolitische Vernunft walten lassen

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