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Ordnungspolitische Vernunft walten lassen

27.10.14 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Es gibt unterschiedliche, legitime Arten, wie man die Eisenbahn zukünftig organisieren soll. Dazu kann auch ein integrierter Staatseisenbahnkonzern gehören. Es kanna ber auch, wie etwa in Großbritannien oder in Nordeuropa üblich, eine unabhängige Infrastrukturgesellschaft geben, die verschiedene Kunden auf ihrem Netz fahren lässt. Alles hat Vor- und Nachteile, aber man muss aufpassen, dass man sich in Deutschland nicht ein Konstrukt baut, das die Nachteile beider Seiten miteinander vereint.

Nun ist der integrierte DB-Konzern in Deutschland politischer Konsens, seit die FDP den Deutschen Bundestag verlassen musste, gibt es niemanden mehr, der etwas anderes fordert. Von daher ist es in Deutschland unwahrscheinlich, dass die DB AG künftig das Netz nicht mehr wird bewirtschaften dürfen. Zumindest in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren wird es hier keine Änderungen geben. Aber das ist kein Grund, nicht doch zumindest im Rahmen dessen, was politisch möglich ist, sich für ordnungspolitische Vernunft im Eisenbahnwesen einzusetzen. Das gilt sowohl auf europäischer, wie auch auf nationaler Ebene. Das gilt nicht nur für die Eisenbahn, sondern auch für den kommunalen Bereich und es ist Zeit, hier verkrustete Strukturen aufzubrechen. Im Rahmen einer Novelle der VO 1370/07, die sich mit der Vergabe von Betriebsleistungen befasst, ist die Rede von einem Unterkompensationsverbot.

Der VDV schreit laut Nein, das wollen sie nicht. Wieso nicht? Wieso will ausgerechnet der Verband, der auch sonst immer glaubt, dass man mit höheren Subventionen alle Probleme lösen kann, ein Unterkompensationsverbot verhindern, also eine Pflicht für die öffentliche Hand, eine ausreichende Kofinanzierung sicherzustellen? Dahinter steckt das, was man den „kommunalen Querverbund“ nennt, also die überteuerten Preise, die die Endkunden der Ver- und Entsorgungssparten von Stadtwerkekonzernen finanzieren, sollen dazu eingesetzt werden, die strukturellen Defizite im ÖPNV zu nutzen. Natürlich kann man nach der normativen Kraft des Faktischen argumentieren, dass eine ordnungspolitisch fragwürdige Finanzierungsquelle besser ist als gar keine. Aber genau das will man ja mit dem Unterkompensationsverbot verhindern: Der Aufgabenträger muss sicherstellen, dass jeder Bus- oder Bahnkilometer aus sich heraus wirtschaftlich tragfähig ist und eben nicht in Stadtwerkeverbünden irgendwie hin- und hergeschoben werden.

Übrigens sieht man in Gera gerade, was die Folge des ganzen sein kann und wenn man ernsthaften Bilanz- und Abschlussprüfungen zahlreicher deutscher Stadtwerke glaubt, dann ist das mitnichten ein Einzelfall. Zumal die Gewinne in der Ver- und Entsorgungssparte viel zu volatil sind, um eine langfristige Sicherstellung der Finanzierung zu ermöglichen. Dazu kommt, dass zahlreiche Stadtwerke hochgradig fragwürdige Aktientauschgeschäfte mit den Energieriesen gemacht haben. Dann sinkt bei RWE die Dividende und die gesamte Finanzierung implodiert. Deswegen ist es jetzt an der Zeit, in Deutschland und Europa die Verkehrswende voranzutreiben – mit ordnungspolitischer Vernunft anstelle des Platzhirschprinzips.

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