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Güterbranche: Lärmminderung ohne Restriktionen

23.10.14 (Güterverkehr, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

In dieser Woche ist eine vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sowie vom Verband der Güterwagenhalter in Deutschland (VPI) in Auftrag gegebene Studie zum Thema Güterverkehrslärm erschienen. Sie wurde vor dem Hintergrund in Auftrag gegeben, dass die große Koalition vereinbart hat für den Fall, dass bis 2016 keine erkennbaren Erfolge bei der Reduktion des Bahnlärms zu verzeichnen seien, Restriktionen für den Güterverkehr auf der Schiene zu prüfen.

Das könnten dann, unabhängig von der Frage, ob es mit dem freien Netzzugang und den europäischen Eisenbahnrichtlinien zu vereinbaren wäre, so Dinge wie ein Nachtfahrverbot oder zumindest eine erhebliche Geschwindigkeitsreduzierung sein. Das lehnen die drei Verbände vehement ab und aus diesem Grund haben sie jetzt eine Studie vorlgelegt, die die Argumentation wissenschaftlich nachvollziehbar machen soll. Das Ziel bleibt jedoch, bis zum Jahr 2020 nur noch halb soviel Güterlärm zu verursachen wie im Jahr 2008. Die Branche arbeitet an einer schnellen Lösung und hat sich deshalb zu einer vollständigen Lärmsanierung der Güterwagenflotte bis 2020 bekannt. Bereits eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 70 km/h würde zu zehn Prozent höheren Transportkosten, einer Reduzierung des Transportaufkommens um dreißig Prozent und einer Beförderungszeitverlängerung von rund einem Viertel führen. Aktuell fahren Güterzüge in Deutschland um die 100 km/h, eine Senkung der Geschwindigkeit auf 70 km/h würde den Lärm um 3,4 dB senken. Das ist notwendig, denn eine Verringerung der Geräuschkulisse wird subjektiv erst ab einer Änderung von mindestens 3,0 dB wahrgenommen.

Ein komplettes Nachtfahrverbot würde den Schienengüterverkehr in seiner Existenz bedrohen. Eine Verschiebung der Schienentransporte in den Tag ist angesichts über neunzigprozentiger Auslastung vieler Trassen undenkbar. Die Verteuerung der Transporte und eine Verlängerung der Beförderungszeit hätten voraussichtlich eine massive Verlagerung von Transporten weg von der Schiene zur Folge. Angesichts dieser für den Standort Deutschland unvertretbaren Folgen sollen derartige politische Maßnahmen ab 2016 nicht in Betracht kommen, so die Verbände. Zugleich müsse der Lärmschutz ehrgeizig und rasch vorankommen, auch um die Akzeptanz des Schienengüterverkehrs zu stärken. Deshalb müssen jetzt die Lärmvermeidung an der Quelle, vor allem durch Umrüstung auf leisere Bremsen, und der Lärmschutz in gemeinsamer Verantwortung von Wirtschaft und Politik vorangetrieben werden. Dafür sind wirksame Anreizsysteme und eine angemessene Förderung entscheidend.

„Sonst macht man den Schienengüterverkehr in Deutschland kaputt. Und zwar ohne Not, denn die Branche hat längst von sich aus angeboten, den Schienenlärm im Güterverkehr innerhalb der nächsten sechs Jahre zu halbieren“, erklärte VDV-Eisenbahngeschäftsführer Martin Henke. „Tagsüber gibt es schlichtweg nicht genug Kapazitäten für umfangreichen zusätzlichen Gütertransport. Dann müssen entweder Personenzüge oder Güterzüge vollständig entfallen.“ „90.000 Güterwagen innerhalb von zwei Jahren umzurüsten oder zu ersetzen ist unmöglich. Weder stehen ausreichend Neubau-Kapazitäten zur Verfügung, noch sind für die Umrüstung genug Flüsterbremsen am Markt erhältlich, die Produktion der LL-Sohle läuft ja gerade erst an. Die restriktiven Vorgaben der Bundesregierung führen zu geringeren Erträgen. Durch diese fehlenden Finanzmittel wird das Umrüstungsziel im Jahr 2020 gefährdet“, sagte VPI-Geschäftsführer Jürgen Tuscher. „Mögliche Geschwindigkeitsreduzierungen oder Nachtfahrverbote im Schienengüterverkehr 2016 wären kontraproduktiv“, warnte Dieter Schweer, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung.

„Rohstoffe wie Erz oder Kohle müssen nachts auf der Schiene transportiert werden, damit sie frühmorgens pünktlich in den Produktionsstätten weiterverarbeitet werden können. Mit Fahrverboten oder Geschwindigkeitsreduzierungen in der Nacht würden etliche zentrale Logistikketten in Deutschland gefährdet.“ Die volkswirtschaftlichen Folgen die entstünden, wenn erhebliche Verkehrsleistungen von der Schiene auf die Straße verlegt werden, sind im Rahmen der Studie nicht untersucht worden. Auch die Frage, ob eine nachhaltige Umkehr eines solchen Trends irgendwann wieder möglich sein würde, ist aktuell nicht wissenschaftlich untersucht worden.

Siehe auch: Neue Grundlagen für den Güterverkehr schaffen

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