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Das vergiftete Angebot

09.10.14 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Grad der Eskalation ist heute deutlich größer als er es im Herbst 2007 war. Eine tarifliche Einigung, bei der die Streiks allenfalls die Begleitmusik sein können, ist nicht in Sicht. Es führt zwischen der GDL und der Deutschen Bahn kein Weg an einem Schlichtungsverfahren vorbei. Doch das Angebot, das der Arbeitgeber der GDL jetzt vorgelegt hat, ist so dermaßen vergiftet, dass die Gewerkschaftsspitze gar nicht anders kann als es abzulehnen.

Zu sagen „Wir zahlen Euch auf Gutdünken mal zwei Prozent mehr und Tarifverhandlungen gibt es erst, wenn vielleicht mal eine Gesetzesänderung kommt – oder auch nicht“ ist für keine Gewerkschaft dieser Welt eine hinnehmbare Aussage. Im Gegenteil: Statt auf einen als Gesetzesänderung getarnten politischen Eingriff in die Tarifautonomie zu hoffen, müssen sich alle beteiligten Parteien (übrigens auch die EVG) klar machen, wie die Ausgangslage ist, nämlich noch immer so wie 2007. Die EVG hat keine Mehrheit unter den Triebfahrzeugführern, kann in dieser Berufsgruppe daher auch keinen Tarifvertrag gegen die GDL abschließen. Diese wiederum organisiert in der DB AG zwar die Mehrheit der Triebfahrzeugführer, aber eben nicht die Mehrheit der Zugbegleiter.

Das Tarifchaos, das hier droht, ist für niemanden eine ernsthafte Option. Mehrere Tarifverträge für ein- und dieselbe Berufsgruppe innerhalb des Konzerns, in denen sich jeder dann aussuchen kann, ob er nach Tarifvertrag Lokführer EVG, Tarifvertrag Lokführer GDL, Tarifvertrag Schaffner EVG oder Tarifvertrag Schaffner GDL bezahlt werden will, sind für den Arbeitgeber völlig unrealisierbar. Das wissen auch die Führungsetagen bei den Gewerkschaften. Hier geht es ums Taktieren und Zeit gewinnen, keiner möchte als erstes zurückziehen. Aber am Ende wird es ein Ergebnis geben und es muss doch jetzt schon klar sein, dass das möglichst ohne Gesichtsverlust über die Bühne gehen soll. Einen Sieger und einen Besiegten wird es nicht geben, also muss ein Kompromiss her. Es ist auch jetzt schon klar wie der aussehen wird, nämlich wie 2007. Aber dafür müssen auch wieder alle Gewerkschaften an den Tisch des Schlichters.

Übrigens, gelegentlich wird moniert, dass die GDL im Jahr 2007 den Nachweis, dass sie die Mehrheit der Zugbegleiter organisiert, nicht führen konnte, von der damaligen Tarifgemeinschaft aus Transnet und GDBA (heute EVG) sei dies aber nicht verlangt worden. Das mag sein. Aber gerade dann muss man sich bei der Erarbeitung des neuen Grundlagenvertrags, auf den es hinauslaufen wird, entsprechend einbringen. Dann wird man ja sehen, wer in welcher Berufsgruppe der nicht ortsfesten Eisenbahner eine absolute oder relative Mehrheit organisiert – es wäre aber für beide nicht gut, wenn am Ende rauskommt, dass ein erheblicher Teil überhaupt nicht gewerkschaftlich organisiert ist. Aber auch die Bahn muss ihren Teil zur Deeskalation während der Streiks beitragen. 2007 hat man regelmäßig den Fahrplan massiv ausgedünnt, um die Streikauswirkungen zu verstärken, in der Hoffnung, dass die Stimmung zu Lasten der GDL kippt. Das darf sich im Interesse der Angebotsqualität nicht wiederholen.

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