Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

Glück im Unglück für den Kunden?

08.09.14 (Allgemein, Kommentar) Autor:Max Yang

Streik kommt immer zur Unzeit. Er schmerzt nicht nur den Arbeitgeber, sondern im öffentlichen Verkehr auch besonders den Kunden, pardon, Nutzer – was in anderen Branchen, etwa der Industrie, in denen man auf Alternativen ausweichen kann, nicht so stark ins Gewicht fiele. Aus Fahrgastsicht muss man aber auch feststellen, dass die Streiks der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) bisher eher glimpflich abliefen. Auch wenn viele Fahrgäste ihre Reisepläne umgestalten mussten, immerhin war der morgendliche Berufsverkehr an Werktagen bisher nicht betroffen.

Dank der großzügigen Kompensationsleistungen durch die gesetzlichen Fahrgastrechte halten sich auch die menschlichen Dramen in Grenzen. Fahrkarten werden anstandslos erstattet, Taxigutscheine an Infoständen in Bahnhöfen ausgehändigt. Und ja, seit dem EuGH-Urteil von letztem Jahr, das „höhere Gewalt“ als Ausschlussgrund für Ansprüche aus den EU-Fahrgastrechten ausschloss, tut ein Streik den Eisenbahnverkehrsunternehmen wirklich weh. Mag das auch nicht jeder in der Branche gut finden, aber diese Überlegung hat durchaus einen Sinn. Ein Streik solle sich eben auf die bestreikten Unternehmen auswirken, um sie an den Verhandlungstisch zu zwingen.

Ein wirkliches Unding ist hingegen das Ritual, mit denen Verdi alle Jahre wieder auf der Nase der Aufgabenträger und der Fahrgäste herumtanzt. Da legen tagelange „Warn“streiks Metropolregionen lahm. In Aachen warnte der örtliche Verkehrsverbund vor wilden Streiks bei eigentlich unbestreikten Unternehmen, die nach dem deutschen Arbeitsrecht eigentlich rechtswidrig sind (nur ist das da wohl keinem ausgefallen). Und das unbestreikte Unternehmen Veolia Transport Limburg stellte die Leistungen in Deutschland mit Billigung des Aufgabenträgers aus angeblichen Sicherheitsgründen ein. Erstattung von gekauften Fahrkarten? Fehlanzeige.

Es kam also zu der obskuren Situation, dass die Verkehrsunternehmen davon profitierten, dass sie weder die streikenden Arbeitnehmer bezahlen noch ihre Busse betanken mussten, dennoch aber von den Einnahmen aus den bereits bezahlten Zeitkarten profitierten. Bei öffentlichem Verkehr reden interessierte Kreise hierzulande gern von Daseinsvorsorge, der durch Deregulierung und Liberalisierung bedroht sei. Aber wenn die staatliche Sicherung der Daseinsvorsorge im Aussitzen von Problemen und Sichern von Pfründen besteht, handelt es sich um einen Bärendienst am Steuerzahler und am Nutzer.

Es fehlt im kommunalen Nahverkehr, der noch stark nach dem Platzhirschprinzip gestaltet ist, ein entsprechender wirtschaftlicher Druck, um Lösungen im Sinne der Fahrgäste voranzubringen. Wir brauchen nicht mehr Gesetz des Dschungels, sondern kommunale Aufgabenträger, die ihren Job ernst nehmen und damit ein Eigeninteresse der Verkehrsunternehmen an guter Qualität erzeugen. Solange dieser Mentalitätswechsel nicht eintritt, wird man die angepeilte Verkehrswende nicht erreichen. Das Image öffentlicher Verkehrsmittel und der immer noch relativ schwache Modal Split verbessern sich jedenfalls nicht durch unreflektierten Konservatismus.

Kommentare sind geschlossen.