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S-Bahn Berlin: Government Shutdown?

31.07.14 (Berlin, Brandenburg, Kommentar) Autor:Max Yang

Erinnert sich jemand noch an den „Government Shutdown“ in Amerika letztes Jahr? Da sich im Parlament keine Mehrheit für einen Bundeshaushalt fand, trat ein gesetzlicher Nothaushalt in Kraft, bei dem der Bund seinen Betrieb zu großen Teilen einstellte. Amtsstuben und Museen blieben geschlossen, US-Bundesangestellte mussten auf ihre Gehälter warten. Ein ähnliches Phänomen kann man hierzulande in Berlin erleben. Dass das Land Berlin finanziell nicht gut dasteht, ist nichts Neues.

Dass die landeseigene BVG AöR ein Eigenleben entwickelt hat und 150 Millionen Euro bei einer Finanzspekulation beinahe verzockt hätte, wurde auch hinlänglich in der Presse thematisiert. Gleichzeitig akzeptieren manche Automaten die neuen Euroscheine ein Jahr nach Einführung immer noch nicht. Und bei der überfälligen Erneuerung der U-Bahn-Flotte will man offenbar auf eine Klimatisierung verzichten, aus Kosten- und angeblich auch aus Umweltgründen. (Hier darf sich jeder seine eigenen Gedanken dazu machen, wie ökologisch es ist, wenn potentielle Kunden angesichts des schlechten Komforts öffentlicher Verkehrsmittel lieber das Auto nutzen.) Nun könnte man diese Geschichten als singuläre Provinzposse abtun, doch nicht nur der ÖPNV, sondern auch der SPNV in unserer Bundeshauptstadt ist seit fünf Jahren international als Sorgenkind bekannt.

Wir erinnern uns: der alte Vertrag wurde direkt vergeben, aufgrund schwacher Sanktionsmöglichkeiten kombiniert mit Sparzwängen der Mehdorn-Bahn kam es zu einer mehrjährigen Pannenserie bei der S-Bahn, die 2009 und 2010 ihren Höhepunkt mit einem tagelangen Komplettausfall auf der Berliner Stadtbahn hatte. Der erste, bereits verspätete Anlauf zur Ausschreibung – Wowereit wollte vor den Abgeordnetenhauswahlen 2011 keine Unruhe haben – war rechtswidrig. Der zweite zieht sich extrem lange hin. In der Zwischenzeit hätte das Land eine Ausschreibung für Triebzüge starten können, um selbst als Rollmaterialvermieter aufzutreten, doch hat man dies warum auch immer kategorisch abgelehnt.

Erstaunlich ist die Lernresistenz der Entscheider. Als nach der gescheiterten West-Coast-Ausschreibung in Großbritannien sofort ein Expertengutachten in Auftrag gegeben wurde, wurden Konsequenzen gezogen und die Verfahren angepasst. In Berlin hingegen ist keine Silbe Selbstkritik zu vernehmen, obwohl das Verfahren alles andere als planmäßig verläuft. Man vernimmt weder vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg noch von der Senatsverwaltung für Verkehr eine offizielle Mitteilung darüber, ob es stimmt, dass – wie vom Tagesspiegel berichtet – nur noch drei Unternehmen im Rennen um die Ringbahn seien, die Deutsche Bahn, National Express und Bombardier. Fahrzeugfinanzierung ist dort auch ein Tabu, wobei das Geld darin sicher besser angelegt gewesen wäre als in der durch Verzögerung nun notwendig gewordenen Aufarbeitung von Altzügen. Politiker haben vom Wähler einen Gestaltungsauftrag erhalten, keinen Auftrag zum Aussitzen von Problemen. Aber ein Machtwort von oben wird es in der dysfunktionalen Berliner Landespolitik wohl kaum geben.

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